Level 4.2 - Zurück in der Stadt der Kinder
ich hoch und prügle dich da runter!«, schimpfte er. Er hatte die Nase voll, immer auf
Thomas warten zu müssen. Demonstrativ drückte er die alte Stoppuhr. »Ich gebe dir zehn Sekunden!«
Jennifer stieß ihn an. Seine Lösungsvorschläge waren ihr wie immer zu plump.
Thomas unternahm einen erneuten Versuch, sich auf dem Sims langsam zu drehen.
»Wahnsinn!«, rief er plötzlich zu den anderen hinunter und zeigte aus dem Fenster. »Da kommen ganzviele Kinder die Straße entlang. Bestimmt hundert oder zweihundert, wenn nicht noch mehr!«
»Was?«, rief Ben. »Wieso das denn? Wo gehen die hin?«
»Weiß nicht!«, antwortete Thomas. »Dorthin!« Er zeigte in eine Richtung.
»Wir müssen hinunter ins Foyer!«, schlug Jennifer vor. »Dort können wir durch die Eingangstür gucken. Die ist aus Glas!«
»Gute Idee!«, fand Ben, und schon rannten sie los.
Außer Thomas.
»Hey!«, rief er seinen Freunden hinterher. »Ihr könnt mich doch nicht hier oben sitzen lassen!«
»Wir kommen gleich zurück!«, versprach Ben und verschwand hinter der nächsten Ecke.
Hunderte Kinder liefen direkt am Museum vorbei.
»Mist!«, ärgerte sich Ben. »Ich möchte wissen, was da los ist. Und wir Deppen haben uns selbst eingesperrt!«
»Aufs Dach!«, schlug Frank vor. »Vielleicht kommen wir dort hinaus oder können zumindest von oben alles beobachten!«
Ohne lange zu überlegen, stürmten die Kinder die Treppen hinauf bis ins oberste Stockwerk des Museums, in dem lauter Masken
ausgestellt waren. Sie hatten Glück. Tatsächlich entdeckten sie in der Decke eine Klappe, die allerdings mit einer Kette und
einem Schloss verriegelt war.
Ben schlug verärgert mit der Faust gegen die Wand, eine Maske fiel herunter, Jennifer hob sie auf und Kolja beruhigte ihn.
»Das Schloss schaffe ich schon!«
Frank nahm die Leiter von der Wand, die offenbar extra für die Dachluke an dieser Stelle hing, während Kolja auf Miriams Frage,
wieso er glaubte, das Schloss öffnen zu können, ein wenig verlegen schaute.
Miriam winkte ab und ersparte Kolja eine detaillierte Begründung. Alle wussten, das Kolja früher einer gewesen war, der um
keine kriminelle Handlung einen Bogen machte. Er hatte Schüler erpresst und verprügelt und sicher auch schon das eine oder
andere Fahrrad gestohlen. Das Schloss, das die Dachluke sicherte, ähnelte solchen, mit denen Fahrräder abgeschlossen wurden.
Kolja stieg die Leiter hinauf, besah sich das Schloss und fragte, ob jemand eine Haarnadel oder einen anderen spitzen Gegenstand
dabeihätte. Ben hatte eine Büroklammer in der Hosentasche.
Kolja öffnete die Luke. Nacheinander stiegen alle aufs Dach. Von hier oben hatten sie einen hervorragenden Blick über die
halbe Stadt.
Auf dem Rathausplatz hatten sich Hunderte Kinder versammelt. Es war ein Podest aufgebaut und es schien, als wollte dort jemand
eine Rede halten.
Plötzlich hallte ein Schrei durch das Museum, so laut, dass es selbst hier oben auf dem Dach nicht zu überhören war.
»Thomas!«, fiel Jennifer sofort ein.
»Ach, du Schreck, den haben wir ganz vergessen!« Ben blickte vom Dach hinunter – und atmete tief durch. Unten auf dem Weg
war nichts von Thomas zu sehen. Zumindest war er nicht aus dem Fenster gefallen.
»Thomas?«, rief Ben.
Keine Antwort.
»Komm, wir schauen mal nach, ey!«, schlug Achmed vor, nahm Kolja mit und stieg durch die Luke hinunter zurück ins Museum.
»Schnell, komm mal!«, rief Frank von der anderen Seite.
Ben ließ einen letzten schnellen Blick nach unten schweifen, aber von Thomas war wirklich nichts zu sehen. So kehrte er zurück
zu Frank, Jennifer und Miriam und war genauso erstaunt wie die anderen, als er sah, was unten vor sich ging.
Auf dem Podest vor dem Rathausmarkt erschien ein Junge in einem roten Umhang. Er trug etwas Goldenes auf dem Kopf sowie ein
Zepter, ließ sich in einem thronähnlichen Sessel nieder und winkte den Massen auf dem Platz huldvoll zu.
Wie einem einzigen, zentralen Befehl folgend knieten sämtliche Kinder plötzlich nieder, falteten die Hände über ihren Köpfen
und riefen: »Heil – dem – König!«
»Was ist das denn für ein Schwachsinn?«, fragte sich Miriam laut.
»Massenwahn!«, hauchte Jennifer. Sie hatte das Gefühl, als ob ihr für einen Moment die Luft wegblieb,spürte einen Druck im Brustkorb, so beklemmend war für sie das Schauspiel, dessen Zeugin sie wurde. Sie atmete tief durch.
»Mann, was für eine Scheiße!«
»Welcher König?«, wunderte
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