Level 6 - Unsterbliche Liebe
in meinem Kopf: „ Für dieses Level von Countdown verbleiben noch zwei Minuten. “
Rogan hob die Hand, berührte seine Wunde und wankte. Ich rannte zu ihm und hielt ihn fest, bevor er umkippte.
„Hast du das gehört?“, fragte ich.
„Ich habe es gehört.“
„Und?“
„Ich hätte schwören können, dass es die richtige Abzweigung war. Ich kenne diese Gegend. Zumindest kannte ich sie. Es ist jedoch schon eine Weile her. Dinge ändern sich.“ Er zog die dunklen Augenbrauen zusammen.
Ich stützte nun sein gesamtes Gewicht ab, damit er nicht zusammenbrach. „Ja, du bist eine großartige Hilfe.“
„Ich schätze, wir gewinnen den großen Preis am Ende wohl nicht, oder? Auf Level zwei ausgeschieden. Das ist echt peinlich.“ Er sagte es so trocken, dass ich wusste, dass es ein Scherz war.
Ein Scherz. In einer Situation wie dieser? Er war anscheinend noch verrückter, als ich angenommen hatte.
Außerdem war er verdammt blass, und auf seinem verschmutzten Gesicht schimmerten Schweißperlen. Ich hatte die Hand gegen seine Brust gestemmt, um ihn zu halten, und spürte, dass sein Herz wie wild hämmerte. Ich zerrte an seinem Shirt, damit ich einen kurzen Blick auf die Wunde darunter werfen konnte. Sie war offen und wirkte, als wäre sie Rogan mit einem scharfen Gegenstand wie einem großen Fleischermesser zugefügt worden. Es war mit Sicherheit keine Schussverletzung. Ich hatte schon Schusswunden aus nächster Nähe gesehen – das Bild hatte sich, genau wie die glasigen, leeren Augen meines Dads, für immer in meinen Kopf eingebrannt.
Blut quoll ununterbrochen aus Rogans Schulter.
„Das sieht grauenhaft aus“, informierte ich ihn.
„Erzähl mir was Neues.“
„Außerdem stinkst du.“
„Auch das weiß ich. Wie gesagt: Sie haben mir keine Zeit gelassen, um mich frisch zu machen, bevor sie mich in den Raum gesperrt haben. Sonst hätte ich natürlich nach Rosen geduftet – extra für dich.“
Panik schnürte mir die Kehle zu. „Glaubst du wirklich, dass wir hier richtig sind? Bist du dir sicher?“
„Ich war es, doch hier sind keine Türen. Hier ist nichts. Und wenn wir die Ziellinie erreicht hätten, dann sollte hier doch irgendein Hinweis sein.“ Seine Worte verrieten jetzt, wie angespannt er war.
„Ich werde dich loslassen“, meinte ich.
„Danke für die Warnung.“
Er lehnte sich vorsichtig an die Betonmauer hinter ihm, und ich trat in die Mitte der Straße. Langsam drehte ich mich um die eigene Achse und versuchte, das Ticken der Uhr zu ignorieren, die offenbar die letzten Sekunden meines Lebens herunterzählte.
„Ich habe TV-Shows wie diese gesehen“, erklärte ich. „Also, nicht genau solche Sendungen wie diese, aber die Kandidaten kämpften ebenfalls gegen die Zeit und hatten Rätsel und Aufgaben zu lösen. Für gewöhnlich ist es zu Anfang des Spiels noch relativ leicht. Oder zumindest nicht unmöglich, auf die Lösung zu kommen.“ Wütend funkelte ich die Kamera an, die einen Meter vor meinem Gesicht in der Luft schwebte.
„Du kennst die Macher dieser Gameshow nicht. Für sie geht es darum, zu verlieren, nicht darum, zu gewinnen.“
„Ich will damit nur sagen, dass es nicht das Ende sein kann. Noch nicht. Wo bleibt der Spaß, wenn die Teilnehmer schon bei Level zwei ausscheiden?“
Hochkonzentriert schaute ich mich auf der Straße um. Zwei Ziegelsteinmauern. Eine Betonmauer, grau und starr hinter Rogans gekrümmter Gestalt. Ich hob den Blick. Ein kleines Stück schiefergrauen Himmels zeigte sich oberhalb der dreißigstöckigen Gebäude, die uns wie kalte, gefühllose Wachen zu umgeben schienen.
„Wohin, denkst du, sind wir gelaufen?“, fragte ich Rogan. „Was hast du auf der Karte gesehen?“
Er schaute sich um. „Es war eine Praxis. Ich kenne sie noch aus der Zeit, ehe ich weggeschickt wurde. Ich hätte schwören können, dass sie hier war.“
„ Für dieses Level von Countdown verbleibt noch eine Minute. Neunundfünfzig … achtundfünfzig … siebenundfünfzig … “
Neben uns stand ein Müllcontainer, der förmlich überquoll. Seltsam, wenn man bedachte, dass die Gegend vollkommen verlassen war. Daneben lag das alte Kerngehäuse eines Apfels. Das Fruchtfleisch wurde allmählich braun. Es schwirrten allerdings keine Fliegen herum. Es wirkte nicht so, als würde hier noch irgendjemand oder irgendetwas leben, doch dieses Stück Obst wirkte noch viel zu frisch, wie es angesichts der Umgebung hätte sein müssen.
„Was war das für eine Praxis?“, fragte
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