Level 6 - Unsterbliche Liebe
Schatten huschte über sein Gesicht. „Es brachte mich tagelang fort – lenkte meinen Geist ab. Ich war so im Rausch, dass das echte Leben mir absolut egal war. Und ich wollte, dass es für immer so blieb. Jämmerlich.“
Ich presste die Lippen aufeinander und ließ ihn weiterreden, ohne ihn zu unterbrechen. Seine Miene wirkte gepeinigt, doch ich wollte ihn nicht stoppen. Er musste es aussprechen, musste es loswerden. Und ich musste es hören.
„Mein Vater versuchte, zu mir durchzudringen und gab mir eine Teilzeitstelle in seinem Büro. Er wollte, dass mein Leben wieder Sinn bekam, nachdem ich die Schule abgebrochen hatte und mich weigerte, wieder hinzugehen. Er zwang mich nicht. Er war ruhig. Eigentlich war es unheimlich, wie ruhig er war. Mir war bewusst, dass er mich zu diesem Zeitpunkt schon abgrundtief hasste. Ich reichte an den makellosen Ruf meines Bruders einfach nicht heran. Dad meinte, ich könne bei Ellis Enterprises arbeiten und sehen, ob es mir gefiel. Er stellte mich vor die Wahl: Entweder das oder die Suchtklinik. Ich wählte den Job. Zu dem Zeitpunkt mischte er schon bei dem Sender mit und beabsichtigte ein Spiel zu entwickeln, damit der Kanal konkurrenzfähig blieb. Computerspiele waren genau mein Ding – ich liebte sie. Ich verbrachte Stunden, Tage, Monate damit, online zu spielen – sogar, wenn ich high war. Er erteilte mir den Auftrag, ihm eine Idee für ein Spiel zu unterbreiten. Das weckte schließlich doch mein Interesse für den Job, und mein Vater war glücklich. Ich entwarf ein Spiel für ihn. Sechs Level mit riskanten, lebensgefährlichen Aufgaben, die von echten Menschen und nicht von Avataren erfüllt werden mussten. Die Leute vom Sender waren nicht daran interessiert, bis mein Vater eine Unmenge an Geld dafür einsetzte, ein KI-Programm für sie zu entwerfen.“
„Augenblick mal … KI? Künstliche Intelligenz? Wie zum Beispiel der Roboter von Level drei?“
Er nickte knapp. „Ja. Ich wäre beinahe von dem Ding beseitigt worden, das mein Vater miterschaffen hat – bei dessen Entwicklung indirekt sogar ich selbst mitgeholfen habe. Wie ironisch, oder?“
Ich holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. „Gut. Sprich weiter.“
Er betrachtete mein Gesicht. „Bist du dir sicher, dass du den Rest hören möchtest?“
Ich beachtete mein rasendes Herz nicht. „Nein. Aber mach trotzdem weiter.“
Er rieb sich mit der Hand über die Stirn und schritt langsam in dem luxuriösen Zimmer herum. „Das Spiel kam am Anfang nicht so gut an. Andere Shows, die auf dem Sender liefen, waren eine zu große Konkurrenz. Vor drei Jahren empfing man den Sender außerdem noch regulär wie alle anderen auch. Dann schlug ich vor, mit dem Ganzen in den Untergrund zu gehen. Ich wollte damit besonders schlau sein. Ich riet dazu, alle Shows der Fernsehanstalt – inklusive Countdown – geheim und exklusiv zu übertragen, sodass nur bestimmte Leute das Programm verfolgen konnten. Das weckte das Interesse der Leute vom Sender. Und das meines Vaters. Ich schwöre, dass es das erste Mal war, dass er stolz auf mich zu sein schien. Schade, dass ich zu zugedröhnt war, um es richtig genießen zu können.“
„Also läuft es, dank der Implantate der Abonnenten, im Untergrund“, entgegnete ich. „Solche Chips gab es vorher noch nicht.“
„Das stimmt. Schädelimplantate. Jonathan war der beste Freund meines Vaters und der Kopf der medizinischen Forschungsabteilung von Ellis. Wahrscheinlich fühlte mein Vater sich besser und hatte wegen seiner Gier kein ganz so schlechtes Gewissen, wenn er einen ganzen Batzen Geld in die Forschung stecken konnte. Somit etwas Gutes für Menschheit oder so tat. Wie auch immer, er beauftragte Jonathan, mit unseren Technikern zusammen einen Chip zu entwickeln. Innerhalb weniger Monate hatten sie den Auftrag erledigt und waren bereit.“
Ich berührte meinen Hinterkopf und spürte die Narbe auf meiner Kopfhaut. Der Knoten in meinem Magen zog sich mit jedem von Rogans Worten weiter zusammen.
Er schnitt eine Grimasse. „Ich war zusammen mit meinem Vater der ersteFreiwillige, um das Implantat zu testen. Es war wieder eine Möglichkeit, Zeit mit meinem Dad zu verbringen, das Verhältnis zwischen Vater und Sohn zu stärken. Damals brauchte ich das fast so sehr wie Kerometh.“
„Wo war dein Bruder?“, hakte ich nach. „Hat er bei alldem auch eine Rolle gespielt?“
„Nein. Liam war zu der Zeit in der Kolonie und ist dort zur Universität gegangen. Außerdem haben
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