Level 6 - Unsterbliche Liebe

Deshalb habe ich es nie besonders ernst genommen.“
    Snake funkelte ihn an. „Halt die Klappe, Loser.“
    Oliver würdigte den Jungen keines Blickes. Er ließ mich nicht aus den Augen. „Vor ein paar Monaten habe ich probiert, dir eine der Sites zu zeigen, doch du hast das nicht weiter beachtet. Du hast gemeint, du wärst nicht interessiert an einem blöden reichen Jungen. Schätze, jetzt siehst du das anders, oder?“
    Rogan schaute mich an und erwartete meine Antwort. „Blöder reicher Junge?“
    Ich räusperte mich. „Tja, äh … Okay. Jetzt, wo du es sagst, fällt’s mir wieder ein.“
    Das Leben hatte einen echt merkwürdigen Sinn für Humor.
    „Hör mal, Oliver“, meinte ich und probierte zurück zum eigentlichen Thema zu kommen. „Wir suchen nach jemandem, den du kennen könntest. Jemanden namens Joe. Hast du den Namen schon mal gehört?“
    Ein weiterer Spieler hatte die Videobrille und die Handschuhe abgelegt, blieb allerdings etwas abseits und verfolgte stumm unsere Unterhaltung. Die verbleibenden sieben Typen machten weiter, als würde außerhalb ihres Videogames nichts existieren.
    „Ich bin Joe“, sagte er unvermittelt. Seine Miene wirkte alles andere als freundlich. „Und du bist Rogan Ellis.“
    Rogan betrachtete ihn. „Dann bist du derjenige, den ich suche. Mir wurde gesagt, dass du hier zu finden wärst.“
    „Ich bin immer hier. Mir gehört das alles hier.“ Langsam ließ er seinen Blick über Rogan wandern. „Freut mich, dich zu sehen.“
    Der Besitzer der Räumlichkeiten, für die Jonathan uns eine Visitenkarte gegeben hatte, freute sich, Rogan zu sehen. Das musste etwas zu bedeuten haben. Hoffentlich etwas Gutes.
    „Schön, dich kennenzulernen“, erwiderte Rogan.
    „Seit wir unserer letzten Begegnung hat sich vieles verändert.“
    Argwöhnisch musterte Rogan den Mann. „Wir haben uns schon mal getroffen?“
    „Wir wurden uns nicht offiziell vorgestellt. Ich habe dich im Vorbeigehen gesehen, als ich zum Vorstellungsgespräch bei Ellis Enterprises war.“ Joe lehnte sich an einender Tische. „Wir sind zusammen im Aufzug gefahren.“
    „Tut mir leid.“ Rogan schüttelte den Kopf. „Ich erinnere mich nicht.“
    „Da bin ich mir sicher. Aber ich weiß es noch.“
    „Ach, ja?“
    „Mir hat es total die Sprache verschlagen, dieselbe Luft wie du zu atmen. Für einen Jungen, der kaum fünfzehn war, warst du so … Keine Ahnung. ‚Beeindruckend‘ ist, schätze ich, das richtige Wort. Ich dachte, ich sollte versuchen, das Eis zu brechen, und so machte ich eine Bemerkung über den Po der Sekretärin deines Vaters. Sie hatte einen hübschen Hintern.“ Er presste die Lippen aufeinander. „Als wir aus dem Lift stiegen, sagtest du zu deinem Vater, er solle mich nicht einstellen. Ich konnte dich hören.“
    Rogan zog die Brauen zusammen, als versuchte er, sich die Szene ins Gedächtnis zu rufen. „Ich erinnere mich überhaupt nicht.“
    Joe zuckte die Achseln. „Hey, ist ja auch egal. Das ist schon lange her. Du hast seitdem einiges durchgemacht, wie ich mitgekriegt habe. Du bist schon aus dem Jugendgefängnis entlassen worden? Hat man bewiesen, dass die verrückten Anschuldigungen doch nicht stimmen?“
    „Ja. So etwas in der Art.“
    Ich sah zu Oliver. Er verfolgte gebannt den Wortwechsel. Der andere Junge, Snake, saß bereits wieder vor seinem Computerspiel.
    „Ich kann nicht fassen, dass du mit diesem Typ zusammen sein willst.“
    In seinen Worten schwang Bösartigkeit mit – und mehr als nur ein bisschen Eifersucht.
    Der finstere Blick, den er Rogan zuwarf, hatte wahrscheinlich weniger mit der Tatsache zu tun, dass Rogan zu Unrecht wegen Mordes verurteilt und ein ehemaliger verwöhnter reicher Junge mit einem Drogenproblem war, sondern eher damit, dass er der gut aussehende Typ in meiner Gesellschaft war.
    „Oliver …“, begann ich.
    Er hob einen Finger. „Ich muss mal pinkeln.“
    Damit wandte er mir den Rücken zu und verließ das Zimmer.
    „Okay“, sagte ich langsam. „Schon gut.“
    „Also, was macht ihr hier?“, fragte Joe.
    Rogan griff in seine Tasche und holte die Visitenkarte raus. „Ein Mann namens Jonathan hat mir die hier gegeben. Er hat gemeint, ich solle dich aufsuchen, da du mir helfen könntest. Er hat auch für Ellis Enterprises gearbeitet.“
    Hat gearbeitet. Vergangenheitsform. Ich erschauderte.
    Joe schüttelte den Kopf. „Sorry, ich habe keine Ahnung, warum er dir die Karte zugesteckt hat. Ich habe nichts mit Ellis Enterprises zu schaffen.