Lewis, CS - Narnia 6
Sie schauten alle in die ange gebene Richtung und sahen, was sie am allerwenigsten erwartet hatten – eine Brücke. Und was für eine Brü c ke! Es war ein riesiger, einzelner Brückenbogen, der die Schlucht von Kliff zu Kliff überspannte; und der höchste Punkt dieses Brückenbogens lag so hoch über dem Fluss, wie der Turm der St.-Pauls-Kirche in Lo n don über der Straße liegt.
»Meine Güte, diese Brücke müssen Riesen gebaut haben«, meinte Jill.
»Wahrscheinlich eher ein Zauberer«, entgegnete Trauerpfützler. »An einem Ort wie diesem müssen wir mit Magie rechnen. Ich glaube, es ist eine Falle. Ich glaube, sie wird sich in Nebel auflösen und weg schmelzen, gerade wenn wir in der Mitte sind.«
»Sei doch um Himmels willen kein solcher Mies macher«, rief Eustachius aus. »Warum sollte es denn keine richtige Brücke sein?«
»Meinst du, irgendeiner der Riesen, die wir gesehen haben, hätte genug Verstand, so ein Ding zu bauen?«, fragte Trauerpfützler.
»Kann es nicht von anderen Riesen gebaut worden sein?«, wollte Jill wissen. »Ich meine von Riesen, die vor ein paar hundert Jahren gelebt haben und die viel klüger waren als die heutigen. Vielleicht ist sie von denselben Riesen errichtet worden, die auch die Ri e senstadt gebaut haben, nach der wir suchen. Und das würde bedeuten, dass wir auf der richtigen Spur sind –die alte Brücke, die zur alten Stadt führt!«
»Ich glaube, du hast Recht, Jill«, sagte Eustachius. »Kommt!«
Also schlugen sie den Weg zur Brücke ein. Und als sie dort ankamen, schien sie ihnen tatsächlich sehr st a bil zu sein. Die einzelnen Steine, gewaltige Blöcke, mussten einst von tüchtigen Steinmetzen behauen wo r den sein, obwohl sie jetzt Sprünge zeigten und stelle n weise abbröckelten. Die Brüstung war offen sichtlich reich verziert gewesen. Einige Spuren davon waren noch zu sehen: zerfallene Gesichter und Körper von Riesen, Minotauren, Tintenfischen, Hundert füßlern und schrecklichen Göttern. Trauerpfützler traute der Brücke noch immer nicht, aber er willigte ein sie mit den Kindern zu überqueren.
Der Marsch zum höchsten Punkt des Brückenbogens war lang und beschwerlich. An vielen Stellen waren die großen Steine herausgefallen, was entsetzliche Lücken ergab, durch die man auf den Fluss hinab blick te, der Tausende Fuß darunter schäumte. Sie sahen e i nen Adler, der unter ihren Füßen hindurchflog. Und je höher sie kamen, desto kälter wurde es und der Wind blies so stark, dass sie fast weggeweht wurden. Er schien sogar an der Brücke zu rütteln.
Als sie oben ankamen und auf der anderen Seite der Brücke hinunterschauen konnten, sahen sie etwas, was so aussah wie ei ne alte Riesenstraße. Sie führte von ihnen weg ins Herz der Berge. Viele der Pflastersteine fehlten und zwischen den noch verbleibenden waren große Grasflecken zu sehen. Und auf dieser alten Str a ße kamen ihnen zwei Gestalten entgegengeritten, so groß wie normale Erwachsene.
»Weiter. Geht auf sie zu!«, sagte Trauerpfützler. »Jeder, den man an einem Ort wie diesem trifft, ist höchstwahrscheinlich ein Feind, aber sie dürfen nicht denken, wir hätten Angst vor ihnen.«
Als sie von der Brücke auf das Gras traten, waren die beiden Fremden schon ganz nah. Das eine war ein Ritter in voller Rüstung und mit geschlossenem Visier. Seine Rüstung und sein Pferd waren schwarz; auf se i nem Schild war kein Zeichen und an seinem Speer kein Fähnchen. Das andere war eine Frau auf einem weißen Pferd, einem so wunderschönen Pferd, dass man sofort Lust bekam, es auf die Nase zu küssen und ihm ein Stück Zucker zu geben. Aber die Dame, die auf einem Damensattel ritt und ein langes flatterndes Kleid in strahlendem Grün trug, war noch schöner.
»Guten Tag, R-r-reisende«, rief sie mit einer Sti m me, die so süß war wie der süßeste Vogelgesang, und sie rollte wunderhübsch das R. »Einige von euch sind noch sehr jung, um dieses raue Ödland zu über queren.«
»Das ist schon möglich, meine Dame«, entgegnete Trauerpfützler sehr förmlich und auf der Hut.
»Wir suchen die Ruinenstadt der Riesen«, sagte Jill.
»Die R-r-ruinenstadt?«, fragte die Dame. »Da sucht ihr aber einen eigentümlichen Ort. Und was tut ihr, wenn ihr sie gefunden habt?«
»Wir müssen …«, begann Jill, doch Trauerpfützler unterbrach sie.
»Mit Verlaub, meine Dame, aber wir kennen weder Euch noch Euren Begleiter – ein schweigsamer Bu r s c he, was? –, und Ihr kennt uns nicht. Und wir möc h
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