Lewis, Michael
weltbewegende Entscheidung.
Die Abteilung verdiente knapp 2 Milliarden US-Dollar im Jahr. Auf seinem
Höhepunkt hatte das Geschäft mit Credit Default Swaps lediglich 180 Millionen
US-Dollar dazu beigetragen. Cassano hatte sich, wie es schien, hauptsächlich
deshalb über Park aufgeregt und seine Meinung so zögernd geändert, weil Park es
gewagt hatte, ihm zu widersprechen.
Der
eine Wall-Street-Trader, der versucht hatte, AIG FP von diesen Wetten auf den
Markt für Subprime-Hypotheken abzubringen, bekam von diesen
unternehmenspolitischen Entwicklungen nichts mit. Greg Lippmann musste davon
ausgehen, dass es seine unwiderlegbaren Argumente gewesen waren, die AIG FP
überzeugt hatten - und doch auch wieder nicht. Er konnte nicht begreifen, warum
AIG FP zwar seine Haltung änderte, doch so exponiert blieb. Zwar verkaufte AIG
FP der Wall Street keine Credit Default Swaps mehr, unternahm aber nichts, um
sein bestehendes Engagement in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar auszugleichen.
Das allein schon, dachte Lippmann, könnte den Markt zum Einsturz bringen. Wenn
AIG FP sich weigerte, die Long-Seite dieser Transaktionen zu übernehmen, würde
das auch kein anderer tun, und der Markt für zweitklassige Hypotheken würde zum
Erliegen kommen. Doch - und damit begann etwas durch und durch Mysteriöses -
der Markt zuckte nicht mit der Wimper. Die Wall-Street-Firmen fanden andere
Käufer für ihre mit AAA bewerteten Subprime-CDOs - neue Wege, die riskantesten
BBB-Tranchen ihrer Subprime-Hypothekenanleihen unterzubringen. Wer die Abnehmer
waren, blieb eine Zeit lang im Dunklen - selbst für Greg Lippmann.
Die
Subprime-Hypothekenmaschinerie lief weiter. Die Darlehen, die an Menschen aus
Fleisch und Blut vergeben wurden, waren von immer minderer Qualität, doch die
Kosten für ihre Versicherung - die Preise für den Erwerb von Credit Default
Swaps - fielen unverständlicherweise. Im April 2006 verlangten Lippmanns
Vorgesetzte bei der Deutschen Bank schließlich eine Rechtfertigung für sein donquichotteskes
Engagement. Ihrer Vorstellung nach sollte er in der Mitte dieses Marktes Geld
verdienen - wie Goldman Sachs, an Käufern und Verkäufern. Man einigte sich auf
Folgendes: Lippmann durfte seine kostspielige Short-Position so lange halten,
wie er nachweisen konnte, dass er willige Investoren finden würde, die sie ihm
kurzfristig abnehmen würden, wenn er sie aufgeben müsste. Das bedeutete, er
musste für einen aktiveren Markt für Credit Default Swaps sorgen. Wenn er an
seiner Wette festhalten wollte, musste er andere finden, die auf das gleiche
Pferd setzten.
Im
Sommer 2006 geisterte eine neue Metapher durch Greg Lippmanns Kopf: die vom
Tauziehen. Die gesamte Subprime-Hypothekenmaschinerie, sein Arbeitgeber - die
Deutsche Bank - eingeschlossen, zog an einem Ende des Taus, und er, Greg
Lippmann, zerrte am anderen. Er brauchte Gleichgesinnte, die mit ihm an einem
Strang ziehen würden. Sie würden ihm eine Gebühr dafür zahlen müssen, auf
seiner Seite zu stehen, doch sie würden dabei auch eine Menge Geld verdienen.
Lippmann
stellte bald fest, dass die Leute, von denen er erwartet hatte, dass sie die
hässliche Wahrheit des Subprime-Hypothekenmarktes am ehesten erkennen würden -
die Leute nämlich, die Fonds verwalteten, die auf den Handel mit
Hypothekenanleihen spezialisiert waren -, diejenigen waren, die als Letzte
etwas anderes erkennen würden als das, was sie schon seit Jahren sahen.
Seltsam, aber wahr: Je näher man am Markt dran war, desto schwieriger war es,
seine Torheit zu erkennen. Als er das merkte, schaute sich Lippmann nach Aktieninvestoren
um, die in hohem Maße dem Risiko fallender Häuserpreise - beziehungsweise
fallender Kurse von Aktien aus dem Eigenheimsektor - ausgesetzt waren, und
präsentierte ihnen seine Idee als Hedge. Schauen Sie, Sie verdienen ein Vermögen, solange diese
Papiere weiter steigen. Warum investieren Sie also nicht ein bisschen Geld, um
sich für den Fall eines Einbruchs abzusichern? Gier hatte nicht funktioniert.
Also versuchte er es mit Angst. Er verschaffte sich eine Liste aller Großaktionäre
des Subprime-Hypotheken-Giganten New Century. Ganz oben auf dieser Liste stand
ein Hedgefonds namens Front-Point Partners. Er setzte sich mit dem zuständigen
Vertriebsmann der Deutschen Bank in Verbindung und bat um ein Treffen. Dem Vertriebler
war nicht aufgefallen, dass sich hinter FrontPoint mehr als ein Hedgefonds
verbarg - nämlich eine Sammlung unabhängig verwalteter Hedgefonds - und
Weitere Kostenlose Bücher