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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
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seufzt,
räuspert sich, schluckt den in die Höhe gebrachten Speichel wieder runter.
Madonna, die Schmerzensreiche, wie sie leidet und sich im Leiden windet! Weil
ich kichere, blickt er streng. Rätselhafte Morgenrituale aus dem Hause
Apostoloff kommen hier zur Aufführung, dazwischen ernten wir vorwurfsvolle
Blicke, weil wir etwas zu tun unterlassen, woran Rumen gewöhnt ist. Sprang seine
Mutter, als sie noch laufen konnte, in solchen Fällen auf und massierte ihm den
Nacken? Hat er sich von seiner Frau scheiden lassen, weil sie es nicht tat?
    Eine
Bedienung in mittleren Jahren, die ausschaut, als würden ihre Kleider sie nicht
ganz zuhalten, bringt unser Frühstück, eine Zigarette zwischen die Finger
geklemmt, von der etwas Asche auf den Teller der Schwester fällt. Eisenhartes
Kinn. Baumfällertyp. Das durch und durch abgebrühte Geschöpf hat sich vor uns
aufgepflanzt und blickt auf uns herab, als hätte es den Befehl bekommen, uns
niederzuhauen, sollten wir auf die Idee kommen, an irgend etwas herumzumäkeln.
    Meine
Schwester ist morgens auf nachsichtige Weise lethargisch. Herausfordernde
Personen können sie nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Das pressspanartige
Brot, der graue Kaffee, die Tomate, die in Menschenjahre umgerechnet schon
über siebzig zählt, sie mustert die Bescherung geruhsam und bittet Rumen, um
ein schärferes Messer zu fragen. Vielen, vielen Dank, ruft sie der Frau
hinterher, die sich längst abgewandt hat.
    Ihr
methodischer Sinn scheint plötzlich erwacht. Der Teller wird vom Tisch
emporgehoben und das Aschenstäubchen dem Rücken der fortstapfenden Bedienerin
hinterhergeblasen; es geschieht lautlos und konzentriert. Sobald ein neues
Messer gebracht worden ist, geht meine Schwester ans Werk. Sie ist die
Meisterin des präzisen Kleinschnitts, eine chirurgische Begabung, die nicht Menschenfleisch
zum Ziel hat, sondern Frühstücksbrote. Die Tomate wird nach allen Regeln der
Kunst zerlegt, und weil mir das nie gelingen würde, ohne dass dicke und dünne
Scheiben in ein Missverhältnis zueinander kämen und die Schnittstellen am
Hautrand unschön ausgefranst wären, schiebt meine fürsorgliche Schwester mir
eine tadellos geschnittene Tomatenscheibe hin, bevor sie auf ihrem eigenen
Teller weitermacht, Brot, Käse, Tomatenteile passgenau aufeinanderschichtet und
mit der Gabel fixiert, damit das Messer wieder in Aktion treten kann. Acht
ähnlich große Stücke laden zum Verspeisen ein. Sie legt für einen Augenblick
das Besteck nieder, um sich an der Perfektion ihrer Arbeit zu weiden.
    So,
das hätten wir, sagt meine Schwester und lüpft ihre Kaffeetasse, als wolle sie
uns damit zuprosten.
    Ich
drücke die Tomatenscheibe in ein zerrupftes Stück Brot. Munter und flink bin
ich, es ist meine beste Tageszeit.
    Heute
ist der Ausflug zur Zarenburg an der Reihe. Wir gehen hügelabwärts und werden
auf die berühmten Wiedergeburtshäuser aufmerksam gemacht. Die osmanische
Herrschaft, krähe ich fröhlich in Ohren, die das bestimmt nicht hören wollen:
das Beste, was den Bulgaren je widerfahren ist! Rumen schaut starr geradeaus
und wird von meiner Schwester umgehend in ein artiges Gespräch gezogen.
    Wiedergeburt,
damit ist die Befreiung von den Osmanen im neunzehnten Jahrhundert gemeint. Der
aufgedonnerte Name beweist, dass wir es mit einem operettenhaften Land zu tun
haben. Miezmiez, sage ich zu einem Hund, da sich mein Bedürfnis, die Bulgaren
lächerlich zu machen, auch auf ihre Hunde erstreckt. Er hört mir aufmerksam zu,
im Gegensatz zu den Rücken meiner Gefährten, die mir bedeuten, ich solle die
Klappe halten. Miezmiez, ich füttere den Hund mit der Lukanka, die es zum
Frühstück gab.
    Sprechen
die Bulgaren von ihrer Wiedergeburt, heben sich ihnen die Köpfe. Ihre Rümpfe
straffen sich, in jedem Bulgaren nimmt sein Lieblingsheld Platz, herausgetreten
aus einer herrlichen Reihe von Helden, steift und streckt ihm den Körper, und
was eben noch ein lächelnder, sanftmütiger Mann war, hat jetzt Augen, die mit
einiger Wildheit in den Höhlen herumrollen. Christo Botew ist so ein
Lieblingsheld, Botew, der große Freiheitsmann der Donau. Operettenhaft, eine
herrliche Vorlage für einen Film oder ein Lustspiel liefernd, ohne dass je
darauf zurückgegriffen worden wäre, war seine Aktion beschaffen. Botew, der
Dichter mit dem wallenden Bart. Sein Glühauge erschaute die Zukunft Bulgariens,
weit, weit über das Datum hinaus, an dem wir uns gerade befinden, und sein
Tatendrang war

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