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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
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aussah, strahlte bei unserer Favoritin in unzerstörbarem
Glanz. Sie war die starkhäuptige, starklockige Blondine unserer Kindertage,
dabei nicht plump, obwohl ihre Fesseln unbestreitbar dick waren (wir nahmen
diesen Schönheitsfehler leicht hin, liebten ihn sogar, als wären es zwei
entzückende Wülste, die sich da unten zum Schutz um den dünner werdenden
Knochen gelegt hatten), sie wirkte niemals ordinär, obwohl ihre Gelenke ordinäre
Glücksanhänger zierten.
    Zweifellos,
unsere Mutter hatte von den dreien die elegantesten Beine, lang und schlank,
aber was haben sie ihr genutzt? Sie hatte entschieden den besseren Schmuck,
aber wozu war der gut? Sie hatte auch mehr Verstand, aber wozu Verstand, wenn
er weder weise noch gütig macht? Die Beine von Zankoffs Frau lassen wir mal
beiseite, sie waren spindeldürr und wurden von aller Welt sofort vergessen.
Verstand hat keiner je an ihr bemerkt. Wenn sie sich einmischte, kam's wirr
und jäh und bös heraus, in späteren Jahren etwas langsamer, vom Alkohol
getrübt. Das viele Gold, mit dem sie Ohren und Hals behängte, die blitzenden
Klunker weckten Mitleid: wie konnte sich eine kleine Person so unsinnig
beschweren?
    Kurioserweise
legt sich Rumen für unsere Mutter ins Zeug. Er ist ein echter Kavalier und
duldet nicht, dass Schlechtes über irgendeine Mutter gesagt wird. Er reißt seine
Augenbrauen hoch vor lauter Achtung, die ihm unsere Mutter plötzlich einflößt.
Wie bewunderungswürdig, wie klug diese Frau ist, von der Rumen spricht, er
kennt sie von wenigen Photos her, wir kennen sie offenbar nicht.
    Die
anderen beiden waren auch Mütter, rufen wir Schwestern im Chor, Rumen
antwortet streng: Aber nicht die eure!
    Zum
Beweis, dass er seine Wahl getroffen hat, nimmt er einen Zahnstocher und steckt
ihn in eines der beiden Löcher des Pfefferfasses. Wir lachen, vielleicht ein bisschen
laut, weil wir zeigen wollen, dass wir nicht kleinlich sind, wenn man in
unserer Gegenwart schmutzige Witze reißt.
    Oben
kreisen zwei Falken. Mit unseren Genicken hängen wir müde über den Tellern.
Ein guter Tag!
    Vor
dem Gemeindehaus, nicht weit von unserem Auto entfernt, parkt ein Geländewagen
mit getönten Scheiben. Ist es derselbe von vorhin? Meine Schwester meint: ja.
Sie mustert den Platz mit enggezogenen Detektivaugen. Hunderterlei
Möglichkeiten, sich zu verbergen. Ich bin mir nicht sicher, ob es unser Wagen
ist, er kommt mir kleiner, harmloser vor. Außerdem ist der Kerl im Lederzeug
nirgendwo zu sehen. Und was (meine Schwester erklärt es nicht, weil es dafür
keine Erklärung gibt), was sollte ein total verlederter Mann, der zufällig am
Auto lehnt, während wir ein Kloster besuchen, überhaupt von mir, von ihr, von
Rumen wollen?
     
    Schwarze
Gehäuse
     
    Heute
nacht bleibt der Regen aus, und ich kann wieder nicht einschlafen. Vielleicht
bin ich auch zu gutgelaunt, um einzuschlafen. Lesen hilft diesmal nicht, schon
gar nicht neben dieser Nachttischfunzel. Ich habe Koba
der Schreckliche dabei, ein grausames, aber exzellentes
Buch über Stalin, und habe den Satz Das Lachen hätte
spätestens jetzt verstummen müssen als Wink aufgefasst, es
weglegen zu sollen. In dieser Nacht wird es mir nicht weiterhelfen. Normalerweise
nehme ich ein Buch von Martin Amis abends zur Hand und mache es nicht wieder
zu, bis ich morgens damit fertig bin. Später lese ich's dann in ruhigeren
Etappen noch einmal. Aber heute nacht gehen Väter und Söhne, Tabakoff und sein
toter Sohn, Stalin und sein preisgegebener, am Stacheldraht eines deutschen
Lagers erschossener Sohn, Zankoff mit seinen lockigen Zwillingssöhnen und
unser Vater mit einem Phantomsohn, einem uns unbekannten dritten Kind, mir
allzu wild durch den Kopf.
    Frivoles
Gelächter liegt auf der Lauer. Was, wenn es hüben und drüben zum Tausch der
Schnurrbarte gekommen wäre, Mütterchen Hitler über Russland geherrscht hätte,
Väterchen Stalin über ganz Deutschland - pfui Teufel, ich gluckse vor Lachen
und wälze mich mit Schwung auf die andere Seite, als hätte mich ein
elektrischer Schlag getroffen.
    Jetzt
aber mal ruhig und eins nach dem andern.
    Zurück
zu Tabakoff. Tabakoff mit seinem irrwitzigen Plan, der uns Bulgarien beschert
hat. Dieser Tabakoff, den wir alle unterschätzt haben, weil das herrliche
Fleisch seiner Frau sich so vor ihn geschoben hatte, dass er dahinter wie
verschwunden blieb. Dabei war er immer der Drahtzieher im Hintergrund gewesen.
Auch der Familiendrahtzieher schon damals in Sillenbuch, dessen bin ich

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