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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
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verwandeln
die ihnen ursprünglich feindliche Chemie mit emsig sich regenden Pilzärmchen,
durch unablässig sich öffnende und wieder schließende Pilzmünder in
freundlichen Nährschlamm.
    Ein
Hotel für Leute, die sich gern in Gefahr begeben. Obendrein ist es nicht einmal
billig, wie wir von Rumen erfahren, der gesenkten Kopfes den langen Hallenweg
zu uns zurückgetrottet ist.
    Nach
vielen vergeblichen Versuchen landen wir in einer zwar kleinen, aber nicht
minder hässlichen Herberge. Es muss Jahre her sein, dass die Fenster das letzte
Mal geputzt worden sind; Graufilm auf den Scheiben, der das Sonnenlicht giftig
reflektiert. Stickluft herrscht in der Kammer. Bei geöffnetem Fenster dringt
der Maschinenlärm der Baukolonne von gegenüber mit Wucht herein. Meine
Migräne, die auf solche Unterkünfte nur wartet, sie flackert in genüsslicher
Vorfreude. Frei nach der buddhistischen Devise, lass die Qualen deinen Körper
passieren, ohne dich eigens um sie zu kümmern, lege ich mich aufs Bett und
beschließe, die nächsten zwei Stunden, komme was wolle, auf diesem Bett zu
verbringen, ohne mich zu rühren.
    In
einem miserablen Hotel an exquisite Hotels zu denken, in denen man mit Freuden
genächtigt hat, entspricht vielleicht nicht ganz der buddhistischen Methode,
aber es hilft. Tabakoff zum Beispiel kann man nicht genug rühmen für die
Sorgfalt, mit der er die Hotels für unsere Reise ausgewählt hatte. Jeweils das
beste am Platze, keinesfalls das protzigste. Allein schon deshalb wird mir der
Mann in der Nachschau immer sympathischer. Wahrlich, er hatte vorzüglich für
uns gesorgt.
    In
Zürich blickten wir unter den weißblau gestreiften Markisen unserer Balkone auf
den großen See hinaus. Die Züricher Seeluft setzte eine träumerische
Beschwingtheit frei. Mir war, als dünstete der See ein weiches, schillerndes
Gewebe aus, zarte Schwaden lagen frühmorgens auf ihm. Eos, die Rosenfingrige,
berührte die Schwaden, tupfte da, wo der See bloßlag, leicht an seine
geriffelte Oberfläche und glitt über sie hinweg. In meinem Seepromenadenzimmer,
an der vom Wasser erfrischten Luft war die Welt für einige Stunden vollkommen.
    Ich
dachte sogar in versöhnlicher Weise an unseren Vater. In all dem
Vatergeflatter, das um uns ist, gibt es einen Vater oben und einen Vater unten,
es gibt den Vater beiseit, es gibt den schwatzhaften und den stummen Vater, vor
allem aber den hohen und den niedrigen Vater. In Zürich wehte ein fröhlicher
Vater, unbekümmert um alle Klassifikationen, über den See heran und
inspizierte das Zimmer. Er machte winzige, bejahende Geräusche. Der Schatten
seines Zeigefingers ruhte eine Weile auf dem Gemälde mit den getüpfelten
Vogeleiern. Ich war nahe daran, ihn singen zu hören.
    Auch
wenn wir von der schönen Stimme unseres Vaters nichts wissen wollen und alle
Erinnerungen bekriegen, die damit zusammenhängen, so ist es vielleicht doch an
der Zeit, ein Wort für ihn einzulegen.
    Auch
der Vater braucht hin und wieder eine Richtung, in der es aufwärts geht. Ein
Vater darf sich nicht immer zum Ende hinneigen. Auch er hat manchmal ein
nützliches und fröhliches Leben geführt, war hell und leicht. Hinauf mit ihm
also, freudig steigend hinauf.
    Wie
hieß das Lied, das du immer gesungen hast?
    Weiß
nicht, sagt der Vater, irgendeins.
    Beliebt,
reich, freudig, sage ich, warum nicht immer so?
    Verantwortung,
sagt der Vater, ein einziger Krampf.
    Wenn
ihn etwas über die Maßen freute, kam Heiterkeit über ihn, die ihn fortriss, und
er fing an zu singen und zu summen. Anders als die viel trockeneren Schwaben,
anders als das trockene Wurmlinger-Nest, in das er sich gesetzt hatte, besaß
er die tänzerische Gabe des Leichtseins. Außerdem hatte er Sinn für Luxus und
war, ohne lange zu rechnen, jederzeit bereit, große Summen dafür hinzugeben.
Das Protzige und Alberne zog ihn nicht an. Er besaß einen subtil entwickelten
Sinn für die Schönheit, die diskreten Übergänge vom Realen ins Irreale. Das
beweisen die wenigen Gemälde, die er gekauft hat. Oder die Anzüge, die er sich
hat machen lassen: aus fabelhaften Geweben, welche die Färbungen fast so
gekonnt zur Geltung brachten, wie Schmetterlingsflügel es vermögen.
    Zur
Vollkommenheit in Zürich trug auch das Schuhwunder bei. Ohne dass ich danach
verlangt hätte, fand ich am Morgen meine Schuhe in raschelndes Seidenpapier gewickelt
vor der Tür, die zwei Päckchen mit einem goldenen Papiersiegel verschlossen.
Ich weiß nicht, aus was für

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