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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
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Leute für diesen Palast seien.
Nicht so Marco und Wolfi, besonders der Energiewirt nicht, der sich unter die
spektakuläre Jugendstilkuppel begab, als wäre er ein Dicker aus dem Märchen
und ergreife natürlicherweise von seinem Haus nun Besitz. Blicke, die ihn aus
halbverhangenen Gästeaugen streiften, konnten ihm nichts anhaben. Es war im
Gegenteil so, als flögen diese Blicke gegen die Angreifer zurück und richteten
bei ihnen den Schaden an.
    Meine
Schwester und ich begegneten den Zwillingen schon wenige Minuten später wieder,
als wir das zur Präsidentensuite gehörende Schwimmbad ausprobierten. Tabakoff
hatte die Suite für sich gemietet, uns aber zum Schwimmen eingeladen. Als wir
klopften, telefonierte er im Bademantel und wies uns, die wir mit unseren
Bündeln nicht recht wussten wohin, lässig den Weg.
    Von
zwei Fensterreihen bot sich ein Ausblick, zu mächtig für unsere
eingeschüchterten Herzen. Unwillkürlich fasste ich meine Schwester am Arm.
Mildes, leicht gerötetes Abendlicht flutete herein und ließ das Becken leuchten
wie ein türkisfarbenes Großjuwel. Zwei Delphine schwammen reglos auf seinem
Grund, schwammen Kopf an Schwanz, Schwanz an Kopf, in einen Kreis aus
schwarzweißen Steinen geschlossen. Lauter Gedanken wie fallende Sterne, sobald
man in dieses Wasser sich ließ. Aber die Zwillinge waren schon da. Marco
patschte mit den Händen auf die Oberfläche, er war in einer Art Hüpftraining
begriffen, viel Wasser spritzte und wogte und schäumte um seinen Leib. Wolfi
schwamm eisern seine Bahn wie ein Rekordler, zierliche Schwimmgläser an
schwarzen Gummibändern waren um seinen Kopf geschnallt. Zug um Zug wandte er
den Kopf nach links, nach rechts. Einmal mehr bewunderte ich meine Schwester,
diese leicht sich fassende Person, die einfach losschwamm und ihren Weg fand,
nicht schnell, nicht lahm, während ich, ewig gehemmt, Wasser verschluckend und
zwischen den Brüdern zickzackend, kaum mich vorwärtsbrachte in dem savoyischen
Prinzengewässer.
    Am
nächsten Morgen, beim Frühstück im Wintergarten (o ihr heranrollenden
Servierwagen, köstlich beladene, wer dichtet auf eure lautlos sich hebenden
Silberdeckel die passende Hymne), erlebten wir einen anderen Tabakoff. Ohne
Rücksicht auf wer da kam und ging, hatte er sich die Zeitung vorgenommen. Wer
ihn grüßte, wurde nicht wiedergegrüßt. Er schien seine Gäste nicht mehr zu
kennen.
    Wolfi,
der uns beim Schwimmen nicht gekannt haben wollte, wollte uns auch beim
Frühstück nicht kennen und verschanzte sich gleichfalls hinter einer Zeitung.
Ich hatte das Zwillingstheater endgültig satt und setzte mich zu den Gitzins in
der Absicht, einen Platztausch in der Limousine einzufädeln.
     
    Roxy
     
    Mit einiger Besorgnis sieht Rumen dem Abend entgegen. Schon vor
Tagen hat er mit einem ehemaligen Schulkameraden telefoniert, der in Varna
wohnt. Wie vorauszusehen war, erfolgte eine Einladung. Der Kamerad ist kein gewöhnlicher
Bulgare. Er mochte in der Schule gewöhnlich, vielleicht umgänglich, vielleicht
lustig gewesen sein. Jetzt nicht mehr. Saschko Trendafilow ist zu einem lokalen
Mafiaboß aufgestiegen, hat nach harten Gebietskämpfen um die begehrten
Strandstücke seinen Teil gewonnen. Bei diesen Kämpfen ist es alles andere als
harmlos zugegangen. Mehr als hundert Tote haben die Abstechereien und
Schießereien gekostet, inzwischen ist der Boden verteilt, die Kämpfe sind
abgeflaut, können aber jederzeit wieder ausbrechen, sollte da jemand neu ins
Geschäft drängen oder sich zur Wehr setzen wollen. Saschko Trendafilow ist zu
einem gefährlichen Mann herangewachsen. Und, was die Sache noch pikanter macht,
er hat die Frau seines früheren Bosses geheiratet, den er eigenhändig umgelegt
haben soll. Aber das ist bloß ein Gerücht.
    Keineswegs
war Rumen darauf erpicht gewesen, den Kontakt herzustellen. Mehr im Sinne von wie
das Leben so spielt hat er uns vom kleinen,
verzweifelten Saschko erzählt, dem man die Lösung der Mathematikaufgaben in
Form von zerknüllten Zetteln zuwerfen mußte. Wir wurden neugierig auf die
Sphäre der Macht und lockten Rumen aus der Reserve. Jetzt können wir nicht
mehr zurück. Einmal in Zugzwang geraten, wird uns klar, in was für eine
komplizierte Lage wir Rumen gebracht haben. Auf eine heranrückende Migräne
werde ich mich nicht herausreden können.
     
    Er
ist nervöser als sonst, raucht und lacht ohne Grund und reibt sich mit dem
Jackenärmel den Schweiß von der Stirn, stochert dermaßen hektisch mit

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