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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
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äußersten Fall den Mund auftat, nur wenn es überhaupt
nicht anders ging. Seine Hasenaugen schweiften verzweifelt herum, als suchten
sie etwas, man hörte schwaches Geseufz, dann sagte er etwas oder vielmehr, er
sagte so gut wie nichts. Böse Zungen erzählten, er habe volle acht Jahre seine
Frau angeschwiegen um einer Kleinigkeit willen, mit der sie ihn geärgert hatte.
Die Frau bot wenig Anlass für Ärger. Sie war die liebenswürdigste aller
angeheirateten Bulgarenfrauen, nicht im mindesten streitlustig. Sie war auch
keineswegs verschwätzt, sondern im Gegenteil überraschend klug, obendrein
fleißig. Sie arbeitete als Bauzeichnerin in einem Architekturbüro und kümmerte
sich um drei Kinder.
    Eine
Professorin für Festkörperphysik haben die Gitzins großgezogen, Iris mit rotem
Haar, aus Cincinnati herübergeflogen, und Stefan und Alexander, die Gründer
und Besitzer einer Messebaufirma im Allgäu, die an diesem Abend wie Säulen
neben ihren Eltern saßen. Obwohl die Gitzins keine Leiche überführten, hatte
Tabakoff sie eingeladen, und die ganze Familie war gekommen.
    Warum
Tabakoff den umständlichen Weg über Zürich, Mailand und weiter über das Meer
nach Griechenland gewählt hatte und nicht den einfachen über Belgrad? Er
liebte das Meer. Auf der gewählten Strecke lagen die Hotels, die ihm behagten.
Er konnte die Serben nicht leiden.
    Vielleicht
hatten ihn auch die griechischen Ursprünge seiner Mutter dazu bewogen, einer
Mutter, aus jenem sagenhaften Geschlecht der Phanarioten stammend, das sich am
Schwarzen Meer lange behauptet hatte und unter os-manischer Herrschaft
keineswegs erloschen, sondern in bedeutende Stellungen aufgerückt war. Mit dem
Clan der Kantakuzenos soll Tabakoffs Mutter verwandt gewesen sein -
wahrscheinlich ziemlich entfernt.
    Dass
die Mutter als direkter Abkömmling des mächtigen Clans den kommunistischen
Braten nicht gerochen und sich rechtzeitig abgesetzt haben soll, ist kaum
vorstellbar.
    Geschichten
flatterten nur so aus Tabakoffs Ärmeln, über Abdul Hamid II. etwa, den letzten
Großherrscher des Osmanischen Reiches, genannt Der
Verdammte oder auch Der Ängstliche oder Der Mißtrauische. Unser in Florida reich
gewordener Geschäftsmann scheute sich nicht, dem ewig klammen Herrscher mit dem
Spitzbart noch über das Grab hinweg Ratschläge zu erteilen, wie sein marodes Finanzsystem
zu retten gewesen wäre.
    Bagdad-Bahn!
rief Tabakoff und wunderte sich, dass wir so wenig wußten.
    Das
Schwarze Meer hätten die Phanarioten in der Hand gehabt - Tabakoff schrie seine
Geschichtskürzel förmlich heraus und hob dazu die Faust.
    Beim
Nachtisch hatte ich den Platz gewechselt und saß in seiner Nähe. Ruhiger
geworden, beschrieb er uns seine Mutter als eine großgewachsene, stolze Frau
(ich hörte einen Kopfschmuck rasseln, obwohl Tabakoff ihn mit keinem Wort
erwähnte), und noch ein Bild drängte sich mir auf: Tabakoffs Mutter hielt das
Schwarze Meer wie einen Schwamm empor und presste es aus, Wasser lief über ihre
Unterarme. Die Worte Mutter und Meer erzeugten in Tabakoff
einen derart feurigen Schwung, dass er hin und wieder an seiner Glatze
herumgreifen musste, um sich zu beruhigen.
    Wir
durften an Tabakoffs Meerseligkeit teilhaben. Vorerst war es aber noch nicht
soweit. Am nächsten Tag rollten die Limousinen in unerschütterlichem Gleichmaß
aus der Garage, als hätten sie es vorher geübt. Die Chauffeure mit den
Schirmmützen luden unsere Koffer ein, und weiter ging's Richtung Mailand. Es
bleibt ein Rätsel, wie Tabakoff es geschafft hatte, dass der schwarze Wurm die
Grenze nach Italien unbehelligt passieren durfte. Wir erregten überall
Aufsehen. Auf den Autobahnen beugten sich Beifahrer aus den Fenstern - ihr
Staunen in den gemächlich vorbeiziehenden Öffnungen prägte sich mir ein, als
hätte ich sie mit Kameraaugen aufgenommen -, Kinder winkten wie verrückt und
hielten Stofftiere an die Luft, am Straßenrand blieben die Leute stehen und
sahen uns nach, bis wir verschwunden waren.
    Dass
uns nach dem Züricher Wunderhotel eine Steigerung geboten würde, damit hatten
wohl nicht einmal die Verwöhntesten gerechnet.
    Das Principe di Savoia. Jesus, was für ein Name!
    Jesus
wird mich mit einer stahlharten Migräne schlagen, wenn ich seinen Namen weiter
mißbräuchlich führe.
    Verlegen
standen wir im Eingang herum. Nicht wenige von uns sahen nervös an sich
herunter, zupften da und dort an ihrer Kleidung, blickten sich beim Eintreten
scheu um, zweifelten, ob sie die richtigen

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