Lexikon der Oeko-Irrtuemer
sonntags statt und bringen regelmäßig Hunderttausende auf die Beine: Floh-, Antiquitäten-, Tausch-, Sammel- und Oldtimermärkte. Es genügt im Grunde der Spaziergang über einen Trödelmarkt, um zu erkennen: Der Mensch ist keineswegs zum Wegwerfen geboren - ganz im Gegenteil. Und der Clou an der Geschichte: Der intelligente Umgang mit Ressourcen, das Erhalten und Wiederverwerten, macht den Menschen auch noch Spaß.
Dies bedeutet natürlich nicht die allseitige Abkehr vom »Ex und hopp«. Aber die unbekümmerte Freiwilligkeit eines jeden Flohmarktes (und auch der fröhliche Boom der Heimwerkermärkte) macht Hoffnung. Es wird wieder lebenslange Produkte geben. Es muß nicht alles neu sein. Viele Menschen werden sich auf alte Tugenden besinnen und die Dinge des Lebens hegen, pflegen und bewahren.
Tief in unserem Unterbewußtsein sind wir hundertprozentige Resteverwerter, das »Ausschlachten« ist uns angeboren, nicht das Wegwerfen. So ist die Geschichte der Menschwerdung - dies erläutert ein Buch des Biologen Josef Reichholf 1 - gar eng mit dem Geier verbunden. Er zeigte den kleinen Gruppen der Urmenschen den Weg zu frisch verendetem Großwild. Die Fähigkeit, Vorräte anzulegen und Lebensmittel haltbar zu machen, bedeutete einen weiteren Schritt in der Erfolgsgeschichte des Menschen. Dieser Sammeltrieb hat sich heute von seiner ursprünglichen Bestimmung gelöst und verselbständigt. Er konzentriert sich nicht mehr auf Pökelfleisch oder Walderdbeeren, sondern auf Gemälde, Bücher, Uhren, Landkarten, Oldtimer und was es sonst so gibt.
Jeder sechste Bundesbürger ist Sammler. Die Auflösung all dieser Sammlungen würde unsere Mülltonnen wahrscheinlich bis ins dritte Jahrtausend verstopfen. In dem Essay »Der Sammler - Phänomen unserer Zeit« kommt der Arzt Heinrich Voigtländer zu dem Schluß: »Zweifellos bekommt das Sammeln dem Seelenfrieden und schützt vor dem Herzinfarkt.« 2
Die Betrachtungen über den Sammler im Menschen enthalten zwei wichtige Begriffe: Spaß und Freiwilligkeit. Damit konnte man den Menschen schon immer kommen. Allein die einschlägige Oldtimer-Fachpresse verzeichnet übers Jahr viele hundert mobiler Verwertungstreffen. Das größte findet in den USA statt. 3 400 Händler treffen sich in Hershey, Pennsylvania, zum fröhlichen Ausbeinen, 250000 Besucher machen begeistert mit. Die Szene erspart der Allgemeinheit nicht nur einen gigantischen Müllhaufen, sondern macht obendrein auch noch ökonomisch Gewinn. Fernab vom protzenden Milieu neuer Automobile wuchs unter der Hand eine Wirtschaftsbranche mit handwerklichen Arbeitsplätzen und Millionenumsätzen heran. Merke: Tief im Hinterstübchen ist der Mensch für ökologisches Handeln empfänglich, man muß nur den richtigen Knopf drücken.
Spaß und Freude mögen Triebfedern zum Bewahren sein, noch viel stärker freilich ist die Wirkung des Mangels. Die ehemalige DDR war eine klassische Mangelgesellschaft. Da man für Geld ohnehin nichts kaufen konnte, blühte der archaische Tauschhandel. Weggeworfen wurde da gar nichts, jedes Schräubchen stellte einen kleinen Schatz dar. Kaum war allerdings die Mauer gefallen, wurde beispielsweise das jahrzehntelange Hätschelauto der DDR-Gesellschaft undankbar verstoßen.
Das Ende der DDR war gleichzeitig das Ende eines Recycling-Großversuchs. Alte Trabis lagen am Straßenrand wie McDonald's-Tüten. Das Auto, das der Dauerhaftigkeit des Trabant - liebevoll »Rennpappe« genannt - hierzulande am nächsten kommt, ist pikanterweise der Porsche. Mehr als zwei Drittel aller jemals gebauten Porsche sind noch im Straßenverkehr - eine prima Ökobilanz. Und wenn so ein alter Porsche mal nicht mehr will, wandert er nicht auf den Schrott, sondern zum Restaurator.
Der feine Unterschied zwischen dem Prinzip Porsche und dem Prinzip Trabi: Den Trabant teilte irgendein ominöser Plan zu beziehungsweise nicht zu. Beim Porsche sorgt ganz profan der Preis für eine eingeschränkte Kundschaft. Je teurer ein Gegenstand ist, desto geringer ist die Gefahr, daß er auf dem Müll landet. Je teurer ein Gegenstand ist, desto besser läßt sich natürlich auch Qualität bauen. Und je besser die Qualität, desto eher lohnt sich das Reparieren oder Restaurieren. »Je wertvoller ein Gut für seinen Besitzer ist, um so pfleglicher wird es behandelt und um so länger möchte er es besitzen«, schreibt Friedrich Schmidt-Bleek der ehemalige Vizepräsident des Wuppertal-Instituts für Kima, Umwelt und Energie und fügt hinzu: »Das
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