Lexikon der Oeko-Irrtuemer
Elektrogeräte oder Fahrzeugteile. Auch Ressourcenverschwendung kann man der Kunststoffindustrie kaum vorwerfen. Schließlich verarbeitet sie nur fünf Prozent des in Deutschland verbrauchten Öls. 5 Über 90 Prozent wird in Öfen und Motoren verfeuert.
Kunststoffabfälle, die in der Landschaft herumliegen, sehen besonders häßlich aus. Zusammengepreßt bleibt von Plastiktüten oder Spülmittelflaschen jedoch wenig übrig: großes Volumen, geringes Gewicht. Dies ist ein Umweltvorteil der Kunststoffe. Um eine Tonne Joghurt zu verpacken, benötigt man 573 Kilo Glas, aber nur 33 Kilo Kunststoff. Wenn der Joghurt ausgelöffelt ist, und Glasabfälle (gemäß der Verpackungsverordnung) zu 72 Prozent, die Kunststoffabfälle zu 64 Prozent verwertet werden, fallen beim Glas 160 Kilo Restmüll an, beim Kunststoff nur 12 Kilo. Selbst wenn das Glas zu 90 Prozent recycelt würde, der Kunststoff aber gar nicht, fielen immer noch 24 Kilo mehr Glas als Restabfall an, als der gesamte Kunststoffmüll wiegt. 6
Andererseits bereitet Plastikmüll in der Landschaft und im Meer weltweit durchaus ernste ökologische Probleme. Das haltbare Material wird häufig zur Todesfalle für Wildtiere (siehe dazu »Kunststoffe sind umweltschädlich«).
1 Nach Angaben der GVM (Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung), April 1998. 2 Nach Angaben des VKE (Verband der Kunststofferzeugenden Industrie), Oktober 1997. 3 Nach Angaben des IK (Industrieverband Verpackung und Folien aus Kunststoff), Oktober 1997. 4 Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt, PVC-Recycling im Überblick, Juni 1997. 5 Verband der Kunststofferzeugenden Industrie, Werbeanzeige, September 1997. 6 Frankfurter Rundschau vom 31. 5. 1994.
»Plastik läßt sich nicht vernünftig recyceln«
Das geringe Gewicht von Plastikverpackungen selbst bei hohem Volumen ist einerseits ein Umweltvorteil (siehe »Immer mehr Plastik vermüllt unsere Umwelt«) , andererseits wird diese Eigenschaft auch als Argument gegen Plastikrecycling benutzt. Kritiker, wie der ehemalige Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt, argumentieren, daß die Abholfahrzeuge des Dualen Systems in erster Linie Luft durch die Gegend kutschieren. Der große Aufwand, mit dem schmierige Joghurtbecher von klebrigen Frischhaltefolien getrennt würden, lohne sich nicht. Besser wäre es, Kleinverpackungen aus Plastik dem Restmüll zuzuschlagen, um sie in Müllverbrennungsanlagen thermisch zu verwerten. Im übrigen seien die Recyclingprodukte aus Plastikabfall ziemlich primitiv.
Zwar wäre Plastik als Restmüll genauso luftig wie als Wertstoff und müßte ebenfalls durch die Gegend gefahren werden, dennoch ist an der Argumentation etwas dran. Tatsächlich werden bis heute aus Kunststoffmüll lediglich Parkbänke, Rasengittersteine, Europaletten, Abfallsäcke, Kabelrohre und andere einfache Dinge hergestellt. Das Problem: Die Kunststoffe sind insgesamt zu verschmutzt, und die verschiedenen Kunststofftypen können kaum sauber getrennt werden. Ungetrennt sind sie jedoch für anspruchsvollere Produkte kaum zu gebrauchen. »Mit einem unvertretbar hohen Aufwand verwerten wir heute einen vergleichsweise geringen Anteil der gebrauchten Kunststoffe. Gleichzeitig verschwinden mindestens so viele Verpackungen in der Restmüll- wie in der Gelben Tonne«, kritisiert die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini. 1
Daher versuchen Recyclingfirmen andere Wege zu gehen, etwa mit der sogenannten rohstofflichen Verwertung. Die wird beispielsweise in den Bremer Stahlwerken praktiziert. Um im Hochofen Stahl zu gewinnen, muß dem Eisenerz Sauerstoff entzogen werden (Reduktion). Diese Aufgabe können neben Schweröl auch Kunststoffe übernehmen. Sie wirken als Reduktionsmittel. 2 Die Abnahme einer Tonnne Altkunststoff bezuschußt das Duale System mit 200 Mark. Das ist zwar volkswirtschaftlich unsinnig, aber für die Stahlwerke überaus rentabel: für eine Tonne Rohöl müßten sie 150 Mark bezahlen. Neue technische Verfahren sollen jetzt für mehr Effizienz im Plastikrecycling sorgen. (Dazu mehr unter »Perspektiven«.)
1 Novo Nr. 43/1999. 2 Association of Plastic Manufacturers in Europe, Ökobilanzen zur Verwertung von Altkunststoffen aus Verkaufsverpackungen, September 1995.
»Der Mensch ist aufs Wegwerfen programmiert«
Fernab vom Kreislaufwirtschaftsgesetz und vom Dualen System hat sich heimlich, still und leise eine anarchische Avantgarde der Wiederverwertung herausgebildet. Ihre Demonstrationen finden meist
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