Lexikon der Oeko-Irrtuemer
Entgiftungsorgane Leber, Nieren und Darm noch nicht voll funktionsfähig. Aus diesem Grund hat die moderne Gläschenkost für die Kleinen (und für ihre Eltern) nicht zu unterschätzende Vorzüge: Selbstgemachte Kindernahrung aus frischem Obst und Gemüse kann bis zu 500mal mehr Rückstände von Pestiziden aufweisen als die Fertiggerichte. 1 Ein Erwachsener braucht seinen Obstsalat dennoch nicht zu fürchten, das Beispiel zeigt lediglich, wie hoch die Sicherheitsmarge bei Babykost liegt. In der Bundesrepublik - und nur hier - muß sie den Vorschriften der Diät-Verordnung entsprechen. Und diese setzt als Grenzwert den Bereich der chemisch-analytischen Nachweisbarkeit.
Die Tatsache, daß die winzigen Belastungen im Babybrei überhaupt feststellbar sind, verdanken wir nicht einem Anstieg der Stoffe, sondern immer genaueren Analysemethoden. Der letzte große Babykost-Skandal von 1993 war bei genauer Betrachtung keiner: In einigen Proben spanischer Produkte wurden äußerst geringe Rückstände eines Pestizids gefunden. Der Wert lag aber immer noch etwa um einen Faktor 1000 unterhalb der Grenze, von der an Toxikologen eine Aussage über eine Wirkung machen könnten (womit auch die Sicherheitsmarge der Grenzwerte klar wird). Die Gläschen wurden dennoch sofort aus dem Regal genommen.
1 H. Hug, Der tägliche Öko-Horror, 1997.
»Amalgam schadet der Gesundheit«
Amalgam, der Füllstoff für kariöse Zähne, besteht aus Silber, Zinn, Kupfer und Quecksilber. Es wird seit 150 Jahren angewendet und zählt zu den verträglichsten Materialien, die die Medizin kennt. Doch seit den achtziger Jahren schüren Heilpraktiker, Verbraucherschützer und Boulevardblätter die Angst vor einer Amalgamvergiftung. Nach Warnungen einzelner Toxikologen schien dann 1996 eine vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Auftrag gegebene Studie endgültig das Aus für den Plombenstoff zu besiegeln: An einer erhöhten Quecksilberbelastung von Amalgampatienten könne nicht mehr gezweifelt werden, verlautbarten die Initiatoren der Studie und forderten ein sofortiges Amalgamverbot.
Wissenschaftler des Arbeitskreises für Umweltanalytik und des Instituts für organische Chemie der Universität Tübingen hatten bei 18000 Testpersonen den Quecksilbergehalt des Speichels ermittelt und bezeichneten die Ergebnisse als »erschreckend« 1 : Bei 43 Prozent der Untersuchten seien die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Grenzwerte für die tägliche Quecksilberdosis überschritten worden. Gefährdet seien vor allem das zentrale Nervensystem, die Nieren und das Gehirn. Ferner seien nach Auswertung der verteilten Fragebögen Symptome wie Zahnfleischbluten, Magen-Darm-Beschwerden und verstärkter Haarausfall signifikant häufiger feststellbar.
Der BUND und die Tübinger Wissenschaftler mußten aber schon bald darauf herbe Kritik einstecken. Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, der 10000 Ärzte angehören, bezeichnete die Studie als wissenschaftlich unhaltbar und reine »Panikmache«. In der Tat enthält die Studie schwere methodische Fehler: So wurde der Quecksilbergehalt im Speichel gemessen. Doch aus dem Speichel, so die Kritiker, wird das Material überhaupt nicht vom Körper aufgenommen, vielmehr scheide der Körper die abgeriebenen metallischen Partikel unverändert über den Verdauungstrakt aus. Diesem Einwand schloß sich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf an. Inzwischen haben sich international praktisch alle Fachgremien und wissenschaftlichen Vereinigungen hinter die Amalgambefürworter gestellt. 2
Hier nur einige davon: Deutsche Gesellschaft für Pharmakologie und Toxikologie, Canadian Dental Association, Food and Drug Administration (USA), U.S. Public Health Service, Föderation Dentaire International (FDI). Die zentrale Aussage: Für Gesundheitsgefährdungen gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise.
»Verurteilt aus Mangel an Beweisen«, kommentiert der Lübecker Toxikologe Ottfried Strubelt die trotz allem anhaltende Amalgam-Angstkampagne. Dabei müßte die Amalgamkritiker eigentlich stutzig machen, daß der Mensch alleine mit der Nahrung jeden Tag eine doppelt so hohe Menge Quecksilber zu sich nimmt, wie aus den Plomben austreten könnte (und er erfreut sich dabei bester Gesundheit). 3 Die Quecksilberdosis sagt mehr aus, wenn sie im Blut oder im Urin festgestellt wird. Doch diese Werte liegen - so die Gesellschaft für Zahn-, Mund- und
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