Lexikon der Oeko-Irrtuemer
meteorologischen Instituts in Kopenhagen. 7 Funkamateure können vom Wüten dieser solaren Winde und störenden Radiowellen ein Lied singen. Wenn es die Sonne ganz wild treibt, drehen sogar Kompasse durch, und Stromnetze brechen zusammen. Sichtbare Boten der Strahlung sind die Polarlichter, die beinahe wie solare Discolights am Himmel stehen. Die Länge der Fleckenzyklen und die Heftigkeit der solaren Aktivitäten korrespondieren in frappierender Weise mit Temperatur- und Wetteränderungen auf der Erde. Die dänischen Forscher glauben inzwischen auch den Mechanismus dahinter gefunden zu haben: Teilchen der kosmischen Strahlung dringen in die Atmosphäre ein und dienen als Kondensationskerne für Wolken. Während des letzten Sonnenfleckenzyklus beobachteten die Dänen, wie sich die Wolkendecke im Gleichklang mit der solaren Strahlung um 3 Prozent veränderte. Die Erde wird im Durchschnitt zu 63 Prozent von Wolken bedeckt, hinter der scheinbar kleinen Veränderungsrate von 3 Prozent der Bewölkung steckt daher ein ganz erheblicher Effekt. Sollten sich die Beobachtungen im Verlauf weiterer Untersuchungen bestätigen, müßten künftige Klimaforscher von einem dominierenden Klimaeinfluß der Sonne ausgehen. [Grafiken siehe oben]
Die Meteorologin Karin Labitzke von der Freien Universität in Berlin entdeckte ebenfalls einen Gleichklang von Wetter- und Fleckenzyklus. »Während die Dänen die ganz große Klimaskala im Auge haben«, sagt die Meteorologin, »zoomen wir uns näher an das Wettergeschehen heran.« Mit neuen Daten konnte sie 1996 einen lang gehegten Verdacht bestätigen: Nord- und Südhalbkugel zeigen spiegelbildlich die gleichen Wetteränderungen im Zyklus der Sonnenflecken. 8 »Das ist schon fast ein Beweis«, sagt Karin Labitzke. »Da muß ein Zusammenhang sein, auch wenn wir den Mechanismus nicht verstehen.« Die Meteorologin will das Kind nicht mit dem Bade ausschütten: »Es geht nicht darum, die Treibhausthese wegzuwerfen«, meint sie, »aber der Einfluß der Sonnenvariabilität ist so offensichtlich, daß man wirklich nicht mehr so tun kann, als gäbe es ihn nicht.«
Der Geograph Dirk Wollesen von der Universität Gießen suchte einen weiteren Zugang zum Thema. Zusammen mit chinesischen Kollegen gab er Tausende chinesischer Wetteraufzeichnungen, die teilweise bis zu 3000 Jahre zurückreichen, in eine Datenbank ein. »In unseren Datenreihen ist nicht zu erkennen«, so Wollesen, »daß der menschliche Einfluß zu einer Zunahme von Dürren oder Überschwemmungen geführt hat.« Statt dessen glauben die Forscher, daß die Sonnenaktivität an den Naturkatastrophen beteiligt war: »Wir haben da einen verblüffenden Zusammenhang entdeckt.« Die Häufigkeit von Dürren und Überschwemmungen schwankte im gleichen Takt wie die Zahl der Sonnenflecken. 9
1 K. Hasselmann, Die Zeit Nr. 32/1997. 2 Th. Landscheidt (Schroeter Institute, Nova Scotia), Vortrag »Global warming or little Ice Age?«, gehalten auf dem Symposium »Klimaveränderungen - Ursachen und Auswirkungen« der Europäischen Akademie für Umweltfragen, Bonn, 10. 11. 1997. 3 R. Muller, G. McDonald, Science, Vol. 277, Nr. 5232, 1997. 4 Die Welt vom 5. 10. 1997. 5 E. Friis-Christensen, H. Svensmark (Dänisches Meteorologisches Institut, Kopenhagen), Vortrag »Mögliche Mechanismen der Beeinflussung des Erdklimas durch Veränderungen der Sonnenaktivität«, gehalten auf dem Symposium »Klimaveränderungen - Ursachen und Auswirkungen« der Europäischen Akademie für Umweltfragen, Bonn, 10. 11. 1997. 6 Focus Nr. 47/1997. 7 N. Calder, The Manie Sun, 1997. 8 K. Labitzke, H. van Loon, Space Science Reviews, Mai 1997. 9 Der Spiegel Nr. 12/1998.
»Eine Erwärmung wäre für die Erde in jedem Fall eine Katastrophe«
Das Klima - sollte es denn überhaupt definierbar sein - ist chaotisch. Es entzieht sich, ebenso wie der Verlauf eines Billardspiels, jeglicher, vor allem langfristiger Prognostizierbarkeit. Dies gilt natürlich auch für die Folgen, die klimatische Veränderungen für das Leben auf der Erde bereithalten. Die Auswirkungen eines Temperaturanstiegs sind nach Ansicht der meisten Wissenschaftler nicht wirklich vorhersehbar. Andererseits besteht ein merkwürdiger Konsens darüber, daß die Folgen in jedem Fall negativ sind. Da drängt sich doch die Frage auf: Woher wissen wir eigentlich, daß etwas nicht Vorhersagbares in jedem Fall unerwünscht und katastrophal endet? Hinter diesem Schluß steckt zunächst einmal die natürliche Angst vor
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