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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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Veränderung.
    Eine leichte Temperaturerhöhung - ob nun vom Menschen beeinflußt oder gänzlich natürlich - kann mit der gleichen Wahrscheinlichkeit positive oder negative Begleiterscheinungen haben (oder eben beides). Wer die in in der Mittagshitze bratenden deutschen Italien- und Spanienurlauber beobachtet, muß sich über deren Furcht vor einer Erwärmung jedenfalls wundern.
    Bei einem Blick in die Vergangenheit der Menschheitsgeschichte fallen wärmere Zeiten als heute durchaus nicht nur negativ auf. Vor
    1000 Jahren war in England der Weinbau weit verbreitet: von der Kanalküste bis etwa 500 Kilometer nach Norden. Besonders warme Sommer bleiben bis heute den Weinkennern als Ausnahmejahrgänge im Gedächtnis. »Da explodiert das Mostgewicht«, melden die Winzer. Die mäßige Erwärmung der letzten 100 Jahre wird im allgemeinen nicht als besonders negativ empfunden - obwohl sich natürlich vieles verändert hat (siehe beispielsweise die Alpengletscher).
    Die Natur reagiert auf die leichten Temperaturverschiebungen in den nördlicheren Breitengraden mit erhöhtem Wachstum und einem früheren Frühlingserwachen. 1 Geringerer Energieverbrauch und höhere Ernteerträge sind die Folge, und dies nicht nur hierzulande: 1986 - mitten in einer Phase von einigen sehr warmen Jahren - begann sogar Indien (Indien!) Lebensmittel zu exportieren. 2
    Auch die Tierwelt vermag aus Veränderungen das Beste zu machen, sie paßt sich an und verändert ihre Lebensräume (wie sie es schon immer getan hat). Britische Vogelkundler stellen fest, daß milde Winter und hohe Frühlingstemperaturen für manche Arten von Vorteil sind. 3 Ein Teil der Zugvögel, wie etwa die Mönchsgrasmücke, verzichtet sogar seit zwei Jahrzehnten auf die beschwerliche und gefährliche Reise nach Afrika. Sie überwintert in merry old England. Eine Katastrophe?
    Auf der anderen Seite ist es durchaus möglich, daß eine veränderte Verteilung von Niederschlägen - wie auch schon in der Vergangenheit - zu Dürren führen könnte. So bestand die Sahelzone im Norden Afrikas während der Steinzeit zu großen Teilen aus blühenden Landschaften. In den vergangenen 6 000 Jahren trockneten dann riesige Gebiete aus, weil der Monsun ausblieb. 4 Vorhersagen in solchen Dimensionen sind aufgrund der kurzen Zeitspanne, in der wir das Klima überhaupt beobachten, reine Spekulation. Und ein Menschenleben ist zu kurz, um solche Entwicklungen als dynamisch zu begreifen.
      
    1 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. 4. 1997. 2 G. Easterbrook, A Moment on the Earth, 1995. 3 Die Welt vom 2. 2.1997; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. 8. 1997. 4 Science, Vol. 278, 1997, Seite 440.

»Wir können das Klima schützen«
      
    Die Erdgeschichte lehrt uns: Wenn die Natur entscheidet, daß die Temperaturen ansteigen, wird niemand sie daran hindern können. Wenn die Natur hingegen glaubt, es sei mal wieder eine Eiszeit an der Reihe, dann kommt diese unwiderruflich. Vor 18000 Jahren, auf dem Höhepunkt des derzeitigen Eiszeit-Zyklus, befand sich das Zentrum des heutigen Venedig 240 Kilometer von der Küste entfernt, und der Meeresspiegel lag 120 Meter tiefer. 1 Das Gebiet des heutigen New York war vor 5000 Jahren von kilometerdicken Eismassen überzogen. Eine Weile später, vor nur 1000 Jahren, blühte es in Grönland (»Grünland«). 2 Wenn Journalisten und Umweltschützer in einer Zeitmaschine zu jenen Stationen zurückreisen könnten, welche Klimaschutz-Schlagzeilen würden sie produzieren? »Katastrophe naht - Manhattan bald eisfrei«? Die Klimadebatte spiegelt sicherlich auch eine psychologische Komponente der aktuellen Geisteshaltung wider: Alles, was sich verändert, ist gefährlich.
    Das globale Klima ist aber ein Nichtgleichgewichtszustand, und eingetretene Veränderungen lassen sich nicht rückgängig machen. Was immer der Mensch gegen solche Vorgänge unternimmt, ist letztendlich so bedeutsam wie ein Reiskorn, das in China von der Tischkante purzelt. Die Menschheit steht an letzter Stelle in einer Reihe von bedeutsamen Einflußgrößen, wie sie etwa Ozeane, Eismassen, Vulkane oder die Vegetation darstellen. »Die entscheidenden Klimafaktoren, die die Temperatur auf der Erde bestimmen, sind durch den Menschen nicht steuerbar«, sagt beispielsweise Professor Wolfgang Stahl von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. 3
    »Schutz«, im Sinne einer aktiven Beeinflussung, ist für das weder modellierbare noch vorhersehbare offene System Klima nicht

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