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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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1953 in ihrem einflussreichen Werk «Das sexuelle Verhalten der Frau» lediglich, dass «die auf den Orgasmus folgenden Muskelkontraktionen der Vagina (…) etwa Genitalsekrete herauspressen (können) und sie in einigen wenigen Fällen mit einer gewissen Kraft herausstoßen». Dass Gräfenbergs «Zone» bei Kinsey nicht mehr auftaucht und das Scheideninnere als empfindungslos dargestellt wird, liegt wohl vor allem daran, dass Kinsey die von Freud entscheidend mitgeprägte Vorstellung eines «vaginalen Orgasmus» aus der Welt schaffen wollte. Wissenschaftlich war das zwar nicht ganz sauber, aber viele Frauen dürften Kinsey dankbar gewesen sein: Jahrzehntelang hatte man von ihnen erwartet, dass sie im Laufe ihrer «psychosexuellen Reifung» auf den klitoralen Orgasmus zugunsten des «reiferen» vaginalen Orgasmus verzichten lernten.
    Nach Kinsey passierte erst mal 25 Jahre lang bis auf ein, zwei zaghafte Erwähnungen des Themas in der Fachliteratur nicht viel. Auch die Sexualforscher William Masters und Virginia Johnson bezeichneten in ihrer bahnbrechenden Studie «Die sexuelle Reaktion» von 1966, für die erstmals Labordaten zum menschlichen Sexualverhalten aufgezeichnet worden waren, die weibliche Ejakulation als «irrtümliches, wenn auch weitverbreitetes Konzept». Später räumten Masters und Johnson ein, dass es bei manchen Frauen zu einer sexuellen Reaktion kommen könne, die einer Ejakulation ähnele, erklärten das Phänomen aber für Harninkontinenz und empfahlen, einen Arzt aufzusuchen.
    Erst Ende der 1970er Jahre wurde die weibliche Ejakulation im Zuge der Frauenbewegung wiederentdeckt und in den folgenden zehn Jahren in einigen Studien und Befragungen belegt. 1982 veröffentlichten die Psychologen und Sexualberater Alice Kahn Ladas, Beverly Whipple und John D. Perry das Buch «The G-Spot and Other Recent Discoveries About Human Sexuality», das den heute gebräuchlichen, wenn auch irreführenden Ausdruck «G-Punkt» für die von Gräfenberg beschriebene Zone populär machte. Erstmals entspann sich eine ausführliche Diskussion der Gräfenberg-Zone in Fachkreisen. Hin und wieder wird heute noch eingewendet, es sei bisher nicht gelungen, an der beschriebenen Stelle der Vaginalwand zahlreiche Nervenenden oder sonstige anatomische Besonderheiten nachzuweisen. So war die These aber schon von Gräfenberg nicht gemeint – die Zone sei vielmehr deshalb erogen, weil sich dort das hinter der Vaginalwand gelegene sensible Drüsengewebe um die Harnröhre stimulieren lasse.
    Seit den 1980er Jahren wurde das umstrittene Phänomen der weiblichen Ejakulation gelegentlich unter Laborbedingungen untersucht. Leider ist es nicht einfach, die aufgefangene Flüssigkeit separat von anderen bei sexuellen Tätigkeiten anfallenden Flüssigkeiten zu gewinnen. Bei der Analyse fand sich jedenfalls – oft, aber nicht immer – im Vergleich zum Urin eine erhöhte Konzentration einer Substanz namens «prostataspezifische saure Phosphatase» (PAP) sowie Fruktose – beides charakteristisch für das männliche Prostatasekret. Die Konzentration der wichtigen Urinbestandteile Harnstoff und Kreatinin waren dagegen meist niedrig. Später wurde PAP allerdings auch im Vaginalsekret nachgewiesen, zudem tauchte die Frage auf, ob die Flüssigkeit nicht doch wenigstens teilweise aus der Blase stammt und sich in der Harnröhre lediglich mit Drüsensekreten mischt. Erschwerend kam hinzu, dass unterschiedliche Frauen womöglich sowohl individuell als auch je nach Zyklusphase unterschiedlich zusammengesetzte Flüssigkeiten produzierten – mal sah das aufgefangene Sekret weißlich aus, mal transparent, mal fanden sich mehr Ähnlichkeiten mit Urin, mal weniger, auch die in der Literatur beschriebene Menge schwankt zwischen 10 und 900 Millilitern. Gegen die Urin-Theorie spricht, dass der charakteristische Spargelgeruch des Urins, der sich genetisch bedingt bei etwa der Hälfte aller Menschen nach dem Spargelverzehr einstellt, beim weiblichen (und übrigens auch männlichen) Ejakulat fehlt. Ein – bisher nicht reproduziertes – Privatexperiment einer Studentin des kanadischen Forschers Edwin Belzer ergab außerdem, dass sich das Ejakulat kaum von einem Medikament beeindrucken lässt, das den Urin kräftig blau färbt.
    Ende der 1980er Jahre ergaben zwei großangelegte Studien aus den USA und Kanada, dass 39,5 Prozent der befragten Frauen schon einmal oder mehrmals Flüssigkeit ejakuliert hatten. 65,9 Prozent berichteten von einem sensiblen Bereich in

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