Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)
der Vagina, von denen wiederum 72,6 Prozent durch Stimulation dieses Bereichs zum Orgasmus kommen konnten, davon über die Hälfte ohne zusätzliche Klitorisstimulation. In dieser Untergruppe waren es sogar 82,3 Prozent, die eigene Erfahrungen mit der weiblichen Ejakulation hatten.
Man nahm daher vorerst an, dass 10 bis 40 Prozent aller Frauen wenigstens manchmal ejakulierten, bis der Sexualwissenschaftler Francisco Cabello Santamaría 1996 Urin von Frauen auf das sogenannte prostataspezifische Antigen (PSA) analysierte, das, wie der Name schon andeutet, eigentlich nur von der männlichen Prostata produziert wird. Er stellte fest, dass sich in 75 Prozent der Proben nach dem Orgasmus eine höhere PSA-Konzentration fand als vorher. Cabello Santamaría zieht daraus den Schluss, dass zwar alle Frauen zur Ejakulation fähig sind, die so produzierte Flüssigkeit aber in den meisten Fällen in der Blase landet – ein Phänomen, das auch bei Männern vorkommt und als «retrograde Ejakulation» bekannt ist. In einem 2001 durchgeführten Experiment des Sexualwissenschaftlers Gary Schubach stellte sich heraus, dass ejakulationserfahrene Testpersonen, deren Blasen vor dem Orgasmus mit einem Katheter entleert wurden, beim Orgasmus noch 50 – 900 Milliliter Flüssigkeit produzierten. Diese Flüssigkeit wurde ebenfalls durch einen Blasenkatheter aufgefangen und kam daher eindeutig aus der Blase. Der Harnstoff- und Kreatiningehalt der Flüssigkeit war deutlich niedriger als im Urin. Da der Blasenkatheter die Blase gegen die Harnröhre abdichtet, konnte die aufgefangene Flüssigkeit nicht aus den in die Harnröhre mündenden Drüsen stammen. Wie sich in einer gerade frisch geleerten Blase in kurzer Zeit wieder so viel Flüssigkeit mit für Urin eher untypischen Eigenschaften sammeln kann, bleibt aber in dieser Untersuchung ungeklärt. Schubachs vorsichtige Schlussfolgerung lautet, dass sexuelle Erregung Einfluss auf die Zusammensetzung der Flüssigkeit in der Blase hat.
Wirklich geklärt ist also wenig. Immerhin ist mittlerweile unumstritten, dass es um die weibliche Harnröhre herum nicht nur bei manchen, sondern bei allen Frauen Drüsengewebe gibt, das in Aufbau und Funktion der männlichen Prostata ähnelt und dessen Gänge teils in, teils am Ausgang der Harnröhre münden. Dieses Drüsengewebe ist funktionstüchtig und nicht, wie man noch Ende der 1980er Jahre glaubte, lediglich ein verkümmerter Überrest.
Viel weiter ist die Forschung bisher nicht gekommen. Unklar ist nach wie vor, ob die «weibliche Prostata», also das Drüsengewebe um die Harnröhre, die Gräfenberg-Zone zu einer erogenen macht, und ob diese Drüsen nicht doch zumindest bei manchen Frauen größer oder produktiver sind als bisher angenommen, womit sich die teils großen Flüssigkeitsmengen erklären ließen. Herauszufinden wäre auch, ob die Ejakulation Bestandteil der sexuellen Reaktion ist – und wenn ja, welchem Zweck sie dienen könnte – oder ob es sich eher um einen Nebeneffekt handelt. Falls die Flüssigkeit tatsächlich ganz oder teilweise aus der Blase herrührt, stellt sich die Frage, ob und wie sich der Blasenschließmuskel überhaupt aufgrund von Stimulation des Harnröhrenbereichs öffnen kann. Wie die meisten Männer aus eigener Erfahrung wissen, trägt sexuelle Erregung nämlich keineswegs zur Öffnung des Blasenschließmuskels bei, im Gegenteil. Es spricht wenig dafür, dass es sich bei Frauen umgekehrt verhält. Statt aber erst mal den G-Punkt genauer zu erforschen, werden immer neue Punkte auf den Markt geworfen, so der K-Punkt (die gar nicht so neue Klitoris), der U-Punkt (die Harnröhrenmündung) und zuletzt 2003 der A-Punkt, der sich zwischen G-Punkt und Gebärmutterhals befinden soll. 22 Punkte zwischen B und Z sind noch frei, auch hier ist also noch viel Platz für Forscher, die sich einen Namen machen wollen.
Wenn endlich geklärt werden könnte, woraus das Ejakulat denn nun genau besteht und wo es produziert wird, wäre das unter anderem auch deshalb von Nutzen, weil die Ergebnisse Einfluss auf die Arbeit der englischen Zensurbehörde «British Board of Film Classification» hätten: In England sind alle Darstellungen verboten, die mit Urinspielen beim Sex zu tun haben, und die weibliche Ejakulation gilt beim BBFC lediglich als verharmlosende Bezeichnung für derlei illegale Schweinigeleien.
Interessant ist auch, dass in der Fachliteratur des 20. Jahrhunderts, soweit sie auf Befragungen von Frauen beruht wie zum Beispiel
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