Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
Vom Netzwerk:
abgelenkt wurden, konnte man schließen, wie das Proton im Innern aussieht. Es besteht aus drei «Quarks», ein Name, der einem skurrilen Gedicht von James Joyce entnommen wurde, in dem es heißt: «Three quarks for Muster Mark!»
    So konnte es nicht weitergehen. Um die zunehmende Vielfalt an Teilchen und Antiteilchen in den Griff zu bekommen, entstand Anfang der 1970er Jahre das sogenannte Standardmodell der Teilchenphysik: Es brachte nicht nur Ordnung in den Teilchenzoo, sondern stellte endlich auch klare Regeln für das Zusammenleben der kleinen Biester auf. Im Standardmodell besteht die Welt aus zwölf verschiedenen «Fermionen» (das sind Elektron, Myon, Tauon, drei Neutrino- und sechs Quarkarten), ihren zwölf Antiteilchen und verschiedenen «Eich-Bosonen», die dafür verantwortlich sind, Grüße und Botschaften zwischen Teilchen zu übermitteln, meistens «Ich finde dich anziehend» und ab und zu auch ein «Ich finde dich abstoßend». Das Photon ist so ein Postboten-Boson, es übermittelt elektromagnetische Kräfte, etwa die Anziehung zwischen gegensätzlich geladenen Teilchen. Ein anderes ist das Gluon, das die Quarks im Atomkern zusammenklebt.
    Das Standardmodell rechtfertigte bisher in vielerlei Hinsicht seinen anmaßenden Namen. Es sagte zum Beispiel die Existenz verschiedener neuer Teilchen und ihre Eigenschaften voraus, bevor sie entdeckt wurden, was ein großer Fortschritt war, denn endlich hinkte man der Natur nicht mehr hinterher, sondern wusste schon vorher, was ihr nächster Schachzug war. Aber ganz so leicht gibt sich der Gegner nicht geschlagen. Einige fundamentale Probleme bleiben auch im Standardmodell ungelöst. So wurde trotz großer Anstrengungen das Higgs-Boson nicht gefunden, das letzte noch fehlende Teilchen des Standardmodells. Das Higgs-Boson ist dafür zuständig, den anderen Teilchen mitzuteilen, welche Massen sie haben (irgendjemand muss es ja tun). Die Theorie kann weiterhin viele Eigenschaften der Welt, zum Beispiel eben die Massen der Teilchen, aber auch die Anzahl der Dimensionen des Universums nicht vorhersagen. Und obwohl es drei fundamentale Kräfte beinhaltet – die vierte wichtige Wechselwirkung, die Gravitation, deren grundlegende Natur in der Allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben ist, steht bisher draußen vor der Tür und darf nicht mitspielen. Das Eich-Boson der Gravitation, ein Teilchen, das Massen von der Anwesenheit anderer Massen wissen lässt, damit sie sich dementsprechend benehmen, und das man schon mal vorsorglich Graviton getauft hat, blieb bislang ebenfalls unentdeckt. An all diesen Problemen wird derzeit hart gearbeitet.
    Zwei der führenden Kandidaten für eine allmächtige Theorie jenseits des Standardmodells, die endlich alle unsere Probleme löst, heißen Supersymmetrie und Stringtheorie. Für ein tiefgehendes Verständnis dieser überaus komplexen Gedankengebäude muss man sich leider mit unhandlichen Abhandlungen und abschreckendem Formelwerk befassen. Supersymmetrie ist ein hoffnungsvoller Ansatz, bei dem jedem Teilchen des Standardmodells ein «Superpartner» zugeordnet wird, der sich vom Original nur durch den genau entgegengesetzten Drehimpuls unterscheidet. Wenn ein Teilchen also rechtsherum rotiert, dann dreht sich sein Superpartner linksherum. Durch die Verdoppelung der Teilchenarten lässt sich eine Reihe von Problemen lösen, und man erhält außerdem vielversprechende neue Teilchenkandidaten für die noch zu erklärende →Dunkle Materie. Keinen der Superpartner hat man bisher gefunden, und es ist mysteriös, warum sie überhaupt so wenig in Erscheinung treten in den bisher untersuchten Teilen der physikalischen Welt.
    Die Stringtheorie wiederum verändert das Standardmodell, indem Elementarteilchen nicht mehr als Punkte betrachtet werden, sondern als «Fäden» – sie verfügen daher plötzlich über eine Dimension statt gar keiner. Die verschiedenen Stringtheorien haben die praktische Eigenschaft, die Anzahl der Dimensionen im Universum vorhersagen zu können – das Standardmodell kann das, wie erwähnt, nicht. Je nach Spielart erhält man 10 oder 11 oder gar 26 Dimensionen, Zahlen, die so verwirrend unterschiedlich sind, dass man nicht genau einzuschätzen vermag, ob das jetzt besser ist, als es überhaupt nicht zu wissen. In jedem Fall sind die meisten dieser Dimensionen viel zu klein, um im normalen Leben eine Rolle zu spielen, sie sind «kompaktifiziert» in der Welt der Quanten. Bislang widersetzen sich die Stringtheorien

Weitere Kostenlose Bücher