Liaden 3: Gestrandet auf Vandar
Untermalung, die hier und da mit einem hastig flatternden Ton aus dem oberen Ende der Tonleiter kontrapunktiert war.
»Edger«, riet Miri, und er nickte.
Sie besaß ein exzellentes Gehör. Er durchlief die kurze Liste ihrer gemeinsamen Bekannten, und in jedem einzelnen Fall wusste sie, wen er musikalisch darzustellen versuchte. Einmal kreischte sie vor Lachen, obwohl sie sofort protestierte. »Oh, nein, du tust ihm Unrecht. Der arme Jason, das hat er nicht verdient.«
Er nahm einen neuen Anlauf, baute ein solide ausbalanciertes Hauptmotiv auf, das von Tonfolgen unterlegt wurde, die so unverrückbar fest schienen wie Stein. Aber Miri glaubte, einen feinen Anflug von gutmütiger Ironie herauszuhören. Machte er sich etwa heimlich über jemanden lustig? Oder deutete diese Melodie auf eine informelle Beziehung hin? Val Con hörte auf zu spielen, und als die letzte Note verklang, schüttelte Miri ratlos den Kopf. »Tut mir leid, aber ich glaube nicht, dass ich ihn kenne.«
»Es ist eine Frau«, stellte er richtig. »Meine Schwester Nova.«
»Sie scheint eine starke Persönlichkeit zu sein«, bemerkte Miri mit einem fühlbaren Mangel an Begeisterung. »Ich kann nur hoffen, dass ich bei ihr niemals in Ungnade falle.«
Er lachte leise und stimmte ein neues Motiv an. Dieses wirkte entspannt, sanft, beinahe schon übertrieben gutwillig und tolerant – bis man bei genauerem Hinhören eine eiserne Härte, eine Schärfe, die gefährlicher war als jede Klinge, entdeckte. »Shan«, murmelte er, um gleich darauf zu einer neuen Melodie überzugehen.
Diese erinnerte an ein Schneegestöber aus glitzernden schwarzen Kristallen, welche man flüchtig im Licht eines Blitzes sah, oder an ein Rudel junger Katzen, die nach dem Aufwachen miteinander Haschen spielten. »Anthora«, erläuterte er.
Er lehnte sich zurück und neigte ein wenig den Kopf. »Ich habe dir soeben den Korval-Clan vorgestellt.« Mit einem Seufzer hob er die Hände, um den Klavierdeckel zuzuklappen.
Miri zupfte leicht an seinem Hemdsärmel. »Hast du nicht jemanden vergessen?«
Erstaunt hob er eine Augenbraue.
»Ich dachte an Val Con«, ergänzte Miri. »Ich glaube, ich habe mal gehört, er sei der Zweite Sprecher.«
»Ach so!«, erwiderte er gedehnt. »Val Con.« Achtlos wanderten seine Finger über die Tastatur und klimperten eine kleine Melodie in einer mittleren Tonlage, die klang wie das Echo seiner eigenen Stimme, wenn er ein paar Worte murmelte. Dann streckte er wieder die Hände aus und klappte den Deckel vorsichtig herunter.
»Oh!«, entschlüpfte es Miri.
Er drehte sich zu ihr um und bemerkte den angespannten Zug um ihre Augen. »Cha’trez? Was ist los? Was hast du?«
Sie runzelte die Stirn und bewegte ein bisschen die Schultern, als wolle sie ihr Problem mit einem Achselzucken abschütteln. »Ich … ich glaube, ich verhalte mich wie ein dummes Gör. Aber ich habe den Eindruck, als versuchtest du, dein wahres Ich vor mir zu verbergen … oder etwas in der Art.«
»Das denkst du also von mir?« Er wandte sich noch ein Stück weiter um, damit er ihr direkt ins Gesicht schauen konnte. »Ich bin dein Freund, Miri. Und dein Partner. Und dein Lebensgefährte. Schenke ich dir vielleicht zu wenig Aufmerksamkeit? Oder gefalle ich dir nicht?«
»Du solltest mir nicht gefallen?« Sie blickte verdutzt drein, dann schwang sie ein Bein über die Bank, sodass sie rittlings darauf saß. Offen begegnete sie seinem Blick. Er konnte in ihren Augen lesen wie in einem aufgeschlagenen Buch, deshalb wusste er ihre Antwort, ehe sie sie ausgesprochen hatte.
»Ich liebe dich so sehr, dass es wehtut. So sehr, dass ich mich bemühe, nicht daran zu denken, denn sonst kriege ich Angst.« Sie presste die Kiefer zusammen.
Er streichelte ihre Wange. »Du machst jemandem, den du gar nicht kennst, ein ungeheuer großes Geschenk, Cha’trez.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Und obwohl du mich angeblich nicht kennst, hast du dich bei Zhena Trelu vehement dafür eingesetzt, dass ich auf dem Klavier ihres verstorbenen Zamir spielen darf. Ist das nicht ein bisschen unlogisch?«
»Woher weißt du, dass ich mich bei Zhena Trelu für dich eingesetzt habe?« Sie beäugte ihn mit einem gewissen Misstrauen. Wieder streichelte er ihre Wange und zog mit den Fingern den feinen Schwung ihrer Augenbrauen nach.
»Zhena Trelu hat es mir selbst erzählt. Anderenfalls hätte ich nie erfahren, wie sehr ich geliebt werde.« Seine Hand wanderte über ihr Kinn. »Du bist wunderschön,
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