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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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nächsten Kohlehaufen und waren verschwunden. Und so ging es immer weiter.
    Endlich schrie er: »Wo seid ihr?«
    Und sie antworteten: »Hör auf uns anzusehen. Hör auf uns zu verfolgen. Du mit deinen hässlichen kleinen Protzeraugen!«
    Wo immer er auch hinging, sie waren schon da und lachten und flüsterten. Er war sich sicher, dass Lye Riff gegen ihn aufwiegelte.
    Plötzlich hörte er ein Spuckgeräusch, und dann landeten zwei nasse Tropfen auf seinem Gesicht.
    »Das ist nicht fair!«, schrie er. »Hört auf!«
    Da öffnete Lye ihren Mund und schrie: »Wir haben dich satt! Satt!« Doch plötzlich schien Lyes Stimme aus Riffs Mund zu ertönen. »Satt! Satt! Satt! Satt! Satt!«
    Als er aufwachte, spürte er einen Schmerz in seiner Brust. Nur ein Traum, sagte er sich. Das geht gleich vorüber.
    Doch dieser Traum beschäftigte ihn weiter, denn eigentlich stimmte er ja. Lye hatte triumphiert, und er hatte Riff verloren.
    Er lag auf seiner Matratze zwischen den Bücherregalen, starrte an die dunkle Decke und wünschte sich, die Regale würden über ihm zusammenbrechen und ihn zerschmettern.
    Er hatte nichts von der Korrekturkammer gewusst, und als er herausfand, was es damit auf sich hatte, wandte er sich gegen seine eigenen Leute und kämpfte für die Revolution. Er hätte der Oberbefehlshaber des Juggernaut werden können. Jeder hätte seinem Befehl gehorcht. Stattdessen hatte er auf alles verzichtet, für Riff. Aber auf was hatte sie verzichtet?
    Zuletzt konnten sie sich nur noch heimlich treffen, weil sie Angst hatte, was die anderen Dreckigen wohl über ihre Beziehung denken könnten. Und hatte sie sich wirklich etwas aus ihren geheimen Treffen gemacht? Diese wenigen kostbaren Stunden pro Woche? … Nein, wenn er ehrlich war, hatten sie ihm viel mehr bedeutet als ihr. Dieser Gedanke wühlte wie ein Messer in seinen Eingeweiden – die Gefühle waren immer nur von einer Person ausgegangen: von ihm!
    Er traf eine Entscheidung. Die Beziehung war zu Ende. Sie war tot. Wenn sie alles vergessen hatte, was sie beide miteinander geteilt hatten, dann konnte er das auch. Keine Sehnsucht mehr, keine Hoffnungen, keine Demütigungen. Kein Himmelhochjauchzendzutodebetrübt mehr. Sollte Lye sie doch haben!
    »Es ist aus«, flüsterte er in die Dunkelheit. Er fühlte sich taub und leer. »Aus. Aus. Aus. Aus. Aus.«
    31
    »Colbert? Es gibt da wirklich etwas Interessantes! Magst du gucken kommen?«
    Col sah zu seinem Vater auf, der am Ende seiner Matratze stand. Freudige Erregung erhellte sein für gewöhnlich düsteres Gesicht. Col war so niedergeschlagen, dass er am liebsten den ganzen Tag im Bett geblieben wäre. Doch er stand auf und folgte seinem Vater. Orris führte ihn durch mehrere Regalgänge; überall mussten sie über Taschen und Kisten, Kopfkissen und Decken, Kleiderhaufen und andere persönliche Besitztümer steigen.
    Das wirklich Interessante entpuppte sich als Murgatrudd und Antrobus. Mr. Gibbers Schoßtier lag auf Antrobus’ Matratze, der ihm im Schneidersitz gegenübersaß.
    Sie waren völlig vertieft in einen schweigenden Austausch miteinander. Murgatrudd schien diese Art der Kommunikation genauso gut zu beherrschen wie Antrobus.
    Quinnea, die auf der anderen Seite der Matratze stand, hielt ihre Hand an ihre Brust gepresst.
    »Sind sie nicht großartig?«, murmelte sie.
    Col hob die Schultern. »Ich habe sie so schon letzte Woche hier in der Bibliothek gesehen.«
    Doch dann verstand er, was seine Mutter meinte. Es war nicht dasselbe wie in der Woche zuvor, denn Antrobus bewegte unablässig die Lippen, als gäbe er lautlose Silben von sich. Und so wie Murgatrudds bernsteinfarbene Augen an Antrobus’ Mund hingen, wirkte es, als könnte er ihm jedes Wort von den Lippen ablesen.
    »Wir glauben, Antrobus versucht zu sprechen«, sagte Orris.
    »Denkt nur«, jubelte Quinnea. »Seine ersten Worte.«
    »Versuch es weiter, Antrobus!« – »Gib nicht auf, mein kleiner Liebling!« – »Du schaffst es, Sohn!« – »Du musst nur noch Töne machen!«
    »Sprich mit deiner Mutter«, drängte Orris. »Die ersten Worte sollen deiner Mutter gehören!«
    Sind gar nicht seine ersten Worte, dachte Col. Antrobus hatte zu ihm und Riff gesprochen, als sein Großvater sich von der Plattform über der Brücke in den Tod stürzte. Aber er behielt das für sich.
    Wie auch immer, Antrobus beabsichtigte anscheinend nicht zu sprechen. Er formte weiter lautlose Worte für Murgatrudd. Quinneas Aufregung nahm ab, und Col wunderte sich über die

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