Liberator
passenden Halsreif und ihr perlenbesticktes Brautkleid. Das Kleid war so fleckig und zerrissen, dass es wie ein perlenbesetzter Lumpen wirkte.
Wenn er sie schon kaum erkannt hatte, so erkannte sie ihn offenbar überhaupt nicht. Sie drehte sich von Col zu Gillabeth und Antrobus und machte Kratzbewegungen wie ein wildes Tier in der Falle. Sie knurrte und fauchte in demselben hohen schrillen Ton, den Col zuvor gehört hatte.
»Ich glaube, sie hat ihren Verstand verloren«, sagte Gillabeth.
Es war nicht nur das Fauchen und Knurren und Kratzen. Die Ecke, in der Sephaltina kauerte, war über und über mit Essensresten bedeckt: alten Speckschwarten, Brotrinden, abgenagten Knochen und Fischköpfen. Der Raum stank wie eine Mülltonne. Schmutzstreifen verschmierten die Gardinen und Kopfkissen, Einwickelpapier von Lutschern lag in Fetzen verstreut auf der Bettdecke. Halb abgelutschte Lollys klebten auf der Bettdecke und sogar an Sephaltinas Hochzeitskleid.
»Es ist alles gut«, sagte Col beruhigend. »Wir tun dir nichts.« Langsam einen Fuß vor den anderen setzend näherte er sich ihr.
»Pass auf«, warnte Gillabeth. »Denk daran, was sie mit Zeb gemacht hat!«
»Hasse euch, hasse euch, hasse euch!« Sephaltina zischte – und sprang in einem Riesensatz Richtung Tür.
Col versuchte sie festzuhalten, aber sie riss sich los. Allerdings hatte sie nicht mit Antrobus gerechnet, der sich ihr in den Weg stellte. Sie stolperte und fiel mit dem Kopf voran direkt auf Gillabeth. »Uff!«
Gillabeth blieb wie ein Fels in der Brandung aufrecht stehen, Sephaltina aber landete auf den Knien. Col sprang hinzu, umfasste sie mit festem Griff und drückte ihre Arme gegen ihren abgemagerten Körper. Sie leistete nun keinen Widerstand mehr; sie drehte nur ihren Kopf hin und her, blickte aber niemandem in die Augen.
Gillabeth baute sich, Hände in den Hüften, vor ihr auf. »Du hast also die ganze Zeit hier verbracht. Wir dachten, du wärst mit deiner Familie von Bord gegangen.«
Sephaltina hob mit einem stolzen Gesichtsausdruck ihr Kinn. »Mein Brautgemach«, verkündete sie und ließ ihren Blick über das ganze Zimmer schweifen. »Ich war eine sehr hübsche Braut. Die schönste Braut überhaupt. Das haben alle gesagt. Es war mein besonderer Tag. Dann haben sie mir alles weggenommen. Aber mein Brautgemach habe ich behalten.«
Gillabeth versuchte, die Vernehmung in Gang zu halten. »Du hast dich entschieden, in diesem Zimmer zu bleiben?«
»Ist es nicht hübsch? Ich habe die Farbe und die ganze Ausstattung selbst ausgesucht.«
Col sprach über Sephaltinas Kopf hinweg zu Gillabeth. »Vielleicht wusste sie gar nicht, dass ihre Familie an Land gegangen ist. Sie ist ja während der Hochzeitsfestlichkeiten ohnmächtig geworden, und vermutlich haben sie sie hierhin gebracht, damit sie sich erholen konnte. Sie ist wahrscheinlich erst wieder zu sich gekommen, als alles vorbei war.«
»Ich hasse sie.« Von einer Sekunde zur anderen hatte sich Sephaltinas eben noch träumerisch sanfte Stimme verwandelt. Sie klang jetzt sehr bösartig. »Sie haben mir meine Hochzeit verdorben. Sie sollte perfekt werden, aber sie haben alles zerstört.«
Gillabeth überlegte. »Wen meinst du mit sie?«
»Alle. Alle, die alles anders gemacht haben. Die sind an allem schuld.«
»Ich glaube nicht, dass sie weiß, wen sie meint«, sagte Col zu Gillabeth. Die schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht begreifen, dass sie nicht in einem der Ghettos untergekommen ist.«
»Ich bin eine Braut«, schmollte Sephaltina. »Ich bin etwas Besonderes. Niemand ist so eine Braut wie ich.« Es war bislang der klarste Satz, den sie von sich gegeben hatte. Col richtete sofort eine Frage an sie. »Und du bist die Saboteurin, nicht wahr?«
Aber Sephaltina war von einem Lutscher abgelenkt, der an ihrem Brautkleid klebte. Sie riss ihn ab und steckte ihn in den Mund. Col versuchte es noch einmal.
»Du hast versucht, Sabotageakte gegen den Juggernaut auszuführen, stimmt’s?«
Sephaltina lutschte an ihrem Lolly. »Die roten mag ich am liebsten«, sagte sie.
»Und Sachen zerstören«, beschuldigte Gillabeth sie. »Sachen kaputtmachen, stimmt’s?«
Sephaltina gab ein schrilles Kichern von sich. Col und Gillabeth zuckten zusammen, so verrückt hörte es sich an.
»Wieso?«, fragte Gillabeth. »Nimmst du Rache an den Dreckigen?«
»Ich mache gerne Sachen kaputt. Ich höre es so gerne, wenn sie zerbrechen.« Jetzt hatte Sephaltinas Stimme wieder einen träumerisch sanften Ton
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