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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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Lehrer!« Er hatte sich an Col und Riff gewandt, weil Gillabeth, Orris und Quinnea in ein leises Gespräch vertieft waren.
    »Jetzt gehöre ich auch zu den Verschwundenen«, sagte Mr. Gibber. »So ist es. Ich bin entführt worden, und keiner weiß, wo ich bin. Genau wie bei den ganzen anderen.«
    »Ich denke mal, die werden in anderen Schlafsälen gefangen gehalten«, sagte Col.
    Riff schüttelte den Kopf. »Ich glaub, an dieser Geschichte ist mehr dran.«
    Mr. Gibber zog laut die Nase hoch. »Jetzt ereilt mich dasselbe Schicksal wie Dr. Blessamy!«
    »Und Victoria und Albert.« Col biss sich auf die Lippe. »Aber Victoria gegenüber werden sie doch bestimmt ein bisschen mehr Rücksicht genommen haben.«
    »Wieso?«
    »Sie ist schwanger.«
    Riff schnalzte mit der Zunge. »Das ist nicht gut …«
    »Aber wenn sie ihnen erklärt …«
    »Ich meine, es ist nicht gut, wenn sie das rausfinden. Ein Thronerbe. Stell dir mal vor, was Lye und Shiv davon halten würden!«
    »Stimmt.« Col verschlug es die Sprache, und er fühlte sich noch mutloser als vorher. So hatte er die Sache noch gar nicht betrachtet. Mr. Gibber sagte auch nichts mehr. Er gähnte und rollte sich auf dem Fußboden zum Schlafen zusammen. Riff deckte ihn nach einer Weile mit einer Wolldecke zu.
    Auch Gillabeth, Orris, Quinnea und Antrobus hatten sich hingelegt. Ab und zu wechselte Riff noch ein Wort mit Col, aber auch sie begann zu gähnen.
    »Ich bin müde«, sagte sie. »Ich hab letzte Nacht kein Auge zugetan.« Sie streckte sich auf ihrem Drahtgeflecht aus, wickelte sich in die Wolldecke und war keine Minute später fest eingeschlafen.
    Col dachte, er sei der einzige, der noch wach war – bis er Sephaltina am anderen Ende des Saales erblickte. Sie hielt den Ringfinger ihrer linken Hand stolz in die Höhe, damit er ihren Ehering sehen konnte. Innerlich stöhnte er auf und sah sofort weg. Aber er merkte, dass sie ihn beobachtete. Um allem Weiteren zu entgehen, legte er sich flach auf das Drahtgeflecht und tat so, als sei er eingeschlafen. Und prompt schlief er auch schon bis zum nächsten Morgen.
    Ein grobes Brüllen riss ihn aus dem Schlaf. »Los! Aufwachen!« Ein Dutzend Rotarmbinden hatte den Saal betreten.
    »Ihr könnt euch von eurem Schlafsaal verabschieden! Wir bringen euch jetzt nach Unten!«
    47
    Sie machten sich an den Abstieg zum Orlopdeck. Überall standen bewaffnete Wachen in den Treppenhäusern, und überall an den Türen und Schotts hingen frisch gemalte Schilder.
    KEINE BESUCHER
    EINTRITT VERBOTEN
    ÜBERWACHUNGSBEREICH
    Col war seit Monaten nicht mehr auf dem Orlopdeck gewesen. Als sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah er, dass die großen Kohlehaufen durch die Kollision zusammengefallen waren und die Kohlen sich in der Gegend verteilt hatten. Ganze Bereiche waren mit Seilen abgesperrt, an denen weitere Warnhinweise befestigt waren.
    STEHENBLEIBEN VERBOTEN
    AUSSERHALB DER ABSPERRUNG BLEIBEN
    NUR FÜR AUTORISIERTE PERSONEN
    AUSWEISKONTROLLE
    Die Rotarmbinden führten ihre Gefangenen direkt zwischen die eisernen Pfeiler. Überall saßen in Grüppchen Dreckige herum; sie waren über und über mit Kohlenstaub und Öl bedeckt, wirkten orientierungslos und völlig erschöpft. Col fand, dass sie aussahen wie die Dreckigen vor der Befreiung. Es musste sich um die Arbeiter handeln, die sich Unten um die Boiler und Turbinen kümmerten. Im Moment kümmerten sie sich allerdings um gar nichts.
    Er fragte sich, was passiert war. Der eiserne Fußboden war kälter, als er in Erinnerung hatte, und von Unten war kein summendes Vibrieren zu spüren. Es schien nicht gut um die Maschinen des Juggernaut zu stehen.
    Hundert Schritte weiter kamen sie an einer Gruppe von Menschen in Fußfesseln vorbei, die sich in einer Reihe aufgestellt hatten. Ihre Kleidung war schmutzig, teilweise sogar vollkommen verdreckt, und trotzdem waren sie alle unverkennbar Protzer. Sie hielten ihre Köpfe gesenkt.
    »Jetzt wissen wir also, was mit den Verschwundenen geschehen ist«, murmelte Col.
    »Lye und Shiv«, knurrte Gillabeth hinter ihm. »Ich hätte es mir doch denken können.«
    Es waren sicherlich an die fünfzig Protzer in der Schlange. Viele von ihnen kannte Col – sie sahen auf, als die anderen vorbeigeführt wurden und nickten ihnen zu. Endlich entdeckte er Victoria und Albert. Albert hatte seinen Arm um Victorias Taille geschlungen, sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Col winkte ihnen zu, und Victoria antwortete mit einen traurigem Lächeln.

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