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Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)

Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)

Titel: Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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Druckschriften « genannt wurden. Diese hatten, wie man es sie schon als Kinder gelehrt hatte wesentlich zum Untergang der alten Gesellschaften beigetragen. Seit Beginn des Phönix-Zeitrechnung existierten diese Bücher nur noch in der Dunkelwelt der Nightraider. Nur die Texte, die sich im Speicher der Mediothek befanden und die sie auf ihr Tablet herunterladen konnten, galten als zum Lesen erlaubte und für den Geist gesunde Texte.
    Einige dieser Bücher in der Eisenschale sahen abgegriffen aus und trugen auf dem Rücken großformatige Aufschriften. Kendira war, als lautete einer davon Schöne neue Welt und der darunter schien die Worte Heiliger Gral im Titel zu haben. Aber ganz sicher war sie sich dessen nicht. Nur den goldenen Titel des dicken Seelengiftes, das ganz oben lag, konnte sie ohne Schwierigkeiten lesen, weil die Buchstaben auf dem Rücken ganz besonders groß waren. Bibel las sie, konnte damit jedoch nichts anfangen.
    Und bevor sie noch genauer hinschauen konnte, hatte der Feuerstrahl des Flammenwerfers den Stapel Seelengifte auch schon in Brand gesetzt. Um den Prozess der Vernichtung noch zu beschleunigen, hielt der Guardian das Flammen spuckende Rohr weiterhin auf die Bücher gerichtet. Diese schienen sich unter der verzehrenden Glut zu krümmen und aufzubäumen, um dann in sich zusammenzufallen und sich in einen kümmerlichen Haufen Asche zu verwandeln.
    Während die Feuersbrunst in der Metallschale aufloderte, sich durch die Seelengifte fraß und die Aufmerksamkeit auf sich zog, gab Primas Templeton seinem Stellvertreter ein Zeichen. Daraufhin trat Whitelock hinter den Cleansing-Stuhl und betätigte mehrere Schalter.
    Kendira bemerkte es und wollte gleich wieder wegschauen, weil sie wusste, was nun kam. Aber aus einem unerfindlichen Impuls heraus hatte sie plötzlich das Gefühl, es Master Seyward schuldig zu sein, nicht wegzublicken, sondern Zeuge von seinem Cleansing zu sein.
    Die glänzende Metallhaube senkte sich auf seinen kahl rasierten Kopf. Und noch bevor die sechs stählernen Hohlnadeln seine Kopfhaut berührten, setzten sie sich in Bewegung.
    Kendira meinte, trotz der laut prasselnden Flammen den abscheulich hohen, sirrenden Ton der sechs Feinbohrer hören zu können, die sich nun durch Master Seywards Schädeldecke fraßen, damit gleich aus dem Kanal der Hohlnadeln die noch viel dünneren Elektronadeln herausfahren und in die vorbestimmten Regionen seines Gehirns vordringen konnten.
    Der Rand der Haube schloss nun mit der Oberkante des metallenen Stirnreifs ab.
    Whitelock legte einen weiteren Schalter um.
    In Erwartung dessen, was gleich geschehen würde, biss sich Kendira auf die Unterlippe und spannte die Bauchmuskeln an.
    Nun ging es sehr schnell. Doch die wenigen Sekunden, die das reinigende Cleansing von Master Seywards Gehirn in Anspruch nahm, waren Sekunden von fast unerträglich langer Dauer.
    Kendira musste mehrmals heftig schlucken, als sie sah, wie Master Seywards Gliedmaßen unter den Stahlklammern zuckten, sich seine Hände verkrampften und seine Gesichtszüge sich verzerrten.
    Und dann, von einer Sekunde auf die andere, erschlafften all seine Muskeln. Sein Körper schien in sich zusammenzusacken. Gleichzeitig erlosch der grauenvolle, stumme Schrei in seinen Augen. An dessen Stelle trat ein benommener, irgendwie stumpfer Ausdruck, als flackerte hinter ihnen nur noch ein Rest von Leben, sozusagen ein Leben auf Sparflamme.
    Weiterleben würde Seyward und man würde ihn schon in einigen Tagen in einer alten grauen Arbeitskutte über das Gelände schlurfen sehen. Aber es würde von nun an ein Leben als stammelnder und geistig behinderter Mendikant sein, wie jene Libertianer offiziell hießen, die das Cleansing hinter sich hatten.
    Seinen Schlafplatz hatte er von nun an in einem Betonschuppen nahe der Kaserne, und tagsüber würde er sich jeden Bissen an der Hintertür des Refectoriums und bei den Servanten erbetteln müssen, was hart und bitter war. Denn viele Electoren hatten für Mendikanten, die ihre Berufung verraten und durch ihr Verhalten die Sicherheit von Liberty 9 in Gefahr gebracht hatten, nur Verachtung übrig. Und selbst die meisten Servanten zeigten kein weiches Herz, wenn sie von einem Mendikanten angebettelt wurden. Kein Wunder, dass der Letzte, ein Elector namens Coram aus dem Beta-Level, nicht einmal ein Jahr ausgehalten hatte. Er hatte den harten Winter nicht überstanden und war schließlich an einer schweren Lungenentzündung gestorben. Es kam jedoch auch vor,

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