Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)
Jaden angefreundet, schoss es Ernesto durch den Kopf und drehte sich weg, um Jaden, dem Idioten, aus dem Weg zu gehen.
Die Policeofficer waren ihm vom Sehen bekannt, dazu entdeckte er Dr. Rodriguez, der mit einigen Sanitätern und einem Polizisten sprach. Im Grunde schien die halbe Stadt auf den Beinen zu sein und sich sensationslüstern in diesem hintersten, sonst eher unbeachteten Winkel der Georgia Avenue zu versammeln. Ein düsterer anthrazitfarbener Leichenwagen parkte unmittelbar vor Flavios altem, heruntergekommenem Haus und gab der Situation etwas schrecklich Endgültiges. Zwei Polizeifotografen machten akribisch Aufnahmen von allem Möglichen.
Mr Clark schlurfte mit Weltuntergangsmiene herum, nachdem er sie zuvor alle aus seinem Laden gescheucht und das Clark & Sons vorübergehend geschlossen hatte. Ein handgeschriebenes Schild mit der Aufschrift »Wegen Todesfall geschlossen« zierte jetzt, wenn man so wollte, die Eingangstür.
»Er hatte sich extra die ganze Woche freigenommen. Zum ersten Mal in all den Jahren …«, berichtete Mr Clark allen, die es hören wollten, kopfschüttelnd. »Er sagte, er habe etwas Dringendes zu erledigen. Was auch immer das sein sollte. Ganz sicher hat er damit aber nicht gemeint, dass er vorhatte, sich abmurksen zu lassen, zum Teufel noch mal…«
Auch Natasha und Salvadors Vater waren vor Ort. Natashas rundes Gesicht war blass und fassungslos. Sie hatte den alten Flavio ebenfalls gerngehabt, das wusste Ernesto. Manchmal, wenn sie ein Schub von Schwermut überkam, und das war gar nicht so selten, hatte sie Flavio ihr Herz ausgeschüttet und er hatte ihr zugehört, solange sie wollte. Er war ein guter Zuhörer gewesen, für alle.
Baz drückte Natasha gerade die Hand und Ernesto ging zu ihr und umarmte sie kurz, nicht sicher, wer hier eigentlich wen tröstete.
Verdammt, der alte Flavio war tot. Ermordet! Wer, um alles in der Welt, hatte wohl einen Grund, ausgerechnet ihn umzubringen? Er war doch »der gute Mensch von Old Town« und tat keiner Fliege etwas zuleide.
»Hat ihm echt einer die Kehle durchgeschnitten?«, fragte Salvador seinen Vater leise. »Oder ist das nur eine Story von Channel 77, damit die Sache spannender rüberkommt?«
»Nein. Keine Story. Es ist wahr. Leider«, antwortete Baz und seufzte tief. Natasha, die immer noch dastand wie bestellt und nicht abgeholt, fing leise an zu weinen.
»Ja, aber… warum?«, hakte Ronan nach, der ebenfalls in der Zwischenzeit aufgekreuzt war.
Darauf hatte, wie es schien, keiner eine Antwort.
Ernesto entdeckte noch ein weiteres bekanntes Gesicht. Eines, auf das er gerne verzichtet hätte. Wie hieß dieser unangenehme Kerl von Channel 77 noch?
»Hallo, Ernesto, schön, dich wiederzusehen«, sagte er da auch schon und gab seinem Kameramann einen ungeduldigen Wink. Im Nu war Ernesto umringt. »Roy Edwards! – Du erinnerst dich doch sicherlich? Wir sind uns letzte Woche schon mal begegnet…«
»Ich weiß, wer Sie sind«, unterbrach ihn Ernesto ärgerlich.
»Ganz schön was los in eurer verschlafenen Kleinstadt«, fuhr Roy leutselig fort und deutete auf Flavios Haus. »Erst letzte Woche das rätselhafte Waldmädchen – und heute nun ein bestialisch ermordeter Greis!«
»Flavio ist kein Greis!«, stieß Ernesto wütend hervor. »…war, meine ich, verdammt…!«
»Hoppla, da kommen ja echte Emotionen hoch«, rief Roy mit triumphierender Stimme. »Und du bist immer mittendrin.« Er zog eine Augenbraue hoch und lachte anzüglich, wenigstens kam es Ernesto so vor. »Wie ist es mit dem nackten Mädchen aus dem Wald? Hast du sie schon wiedergesehen? Dieser Dr. Walther vom General Hospital versteckt sich leider hinter seiner sogenannten ärztlichen Schweigepflicht… Aber was sagst du dazu, dass das Mädchen angeblich komplett stumm sein soll? Glaubst du, sie ist zurückgeblieben? Ein dümmlicher, weiblicher Forrest Gump des Waldes? Man hört, man muss sie künstlich ernähren.«
Roy Edwards zog ein weiteres Mal vielsagend eine Augenbraue nach oben und hielt Ernesto ein Mikrofon hin.
Augenbraue. Das war es! Bingo – Augenhärchen!
»Also, Ernesto Merrill, was fällt dir zu der ganzen Angelegenheit ein? Glaubst du, es gibt eine Verbindung zwischen dem Mädchen und dem alten Mr Fabiani? Schließlich war er mit von der Partie, als sie entdeckt wurde, nicht wahr?«
Ernesto packte Salvador, der neben ihm stand, entschlossen am Arm. Ihm war auf einmal schrecklich elend. »Los, weg hier, bevor mir schlecht wird«, sagte er
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