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Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Rosen
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in Richtung Tür zurück, verließ aber nicht das Zimmer.
    Ernesto sah Liberty Bell an. »Wie geht es dir? Etwas besser?«
    Stille. Ihre Augen waren geschlossen, der Atem ging flach. Unveränderter Zustand nannte man das wohl.
    »Das ist alles eine ziemliche Scheiße… ich meine, ein ziemlicher Mist, was?«
    Ernesto setzte sich wieder auf die Kante des traurigen Besucherstuhls. Ohne Dr. Bolinos Erlaubnis einzuholen, befreite er Liberty Bells Arme von den Mullbinden. Trotzdem veränderte sie ihre Position um keinen Millimeter. Nicht mal ihre Fingerspitzen zuckten heute.
    »Soll ich dir ein bisschen was erzählen über – über die letzten Wochen? Was so passiert ist, meine ich?«
    Stille. Bis auf das Piepsen und Summen der medizinischen Geräte.
    Er begann zu reden. Wieder mal. Über sich selbst, seine Freunde, Cal Wyludda. Die Aufregung, die es gegeben hatte, als bekannt wurde, dass Liberty Bell dort mitten im Wald gehaust hatte – wie es schien, sehr, sehr lange. Ihr Sturz von dem hohen Stein auf der kreisrunden Lichtung, der Krankenwagen, diese Klinik, die Untersuchungen.
    »Hey Liberty Bell, ich weiß nicht genau, was sie alles mit dir gemacht haben, aber ich hoffe, sie haben dir nicht zu sehr wehgetan?«
    Stille.
    »Bestimmt haben sie dir Blut abgenommen und solche Sachen. Ich bin mir sicher, sie haben ganz schön an dir rumgedoktert, was?«
    Sie öffnete ihre Augen. Einfach so öffnete sie ihre Augen und sah ihn an.
    Ernesto wagte kaum zu atmen. Was sollte er tun? Etwas sagen? Oder war es besser zu schweigen, still zu sein? Am Ende erschrak sie, wenn er sie jetzt ansprach. Er traute sich kaum, sie direkt anzusehen. Aber er tat es trotzdem, schaute stumm in ihre ernsten hellen Augen, die von wahnsinnig schönen Wimpern eingerahmt waren. Wenn sie nur nicht so traurig ausgesehen hätten.
    »Hey Liberty Bell«, flüsterte Ernesto schließlich.
    »Ernesto?«, sagte Dr. Bolino in diesem Moment leise und betrat das Geschehen wieder. »Ich glaube, das war schon sehr gut. Aber bestimmt ist Liberty Bell jetzt… ziemlich erschöpft. Könntest du vielleicht morgen Nachmittag wiederkommen? Würdest du das tun?«
    Ernesto nickte und fühlte sich auf irgendeine Weise ebenfalls ziemlich erschöpft. Alles in ihm war aufgewühlt und wackelig. »Klar. Klar, das mache ich«, sagte er leise
    Würde sie eine Reaktion zeigen, wenn er ging?
    »Mach’s gut, Liberty Bell. Bis morgen. Wir kriegen das – alles hin, versprochen…«
    Keine Reaktion. Ihre Augen waren wieder zu. Verdammt, das Leben war kein langer, ruhiger Fluss.

11
    A uf nach Banff«, sagte Ronan vergnügt. In einer Stunde würden er und seine Familie sich auf den Weg nach Portland machen, wo am frühen Nachmittag ihr Flieger nach Kanada startete.
    »Ich wünschte, ich könnte mit dir tauschen, Alter«, seufzte Darayavahush finster. »Wie wär’s? Ich heute für dich mit deinen Alten zu den Rockies und du nächste Woche für mich mit meiner Sippe nach Mohammadschahr?«
    »Mohammad-was?«, wiederholte Ronan und stopfte Sachen in seinen Koffer.
    »Hey, das Kaff, in dem meine Cousine unterjocht wird«, erklärte Darayavahush mit Weltuntergangsmiene. »Ist prima da. Heiß und so. Nette Leute. Gutes Essen. Bestimmt gibt’s Kaviar bis zum Abwinken. Also, echt zu empfehlen, die Reise…«
    Ronan lachte. »Nächstes Mal, vielleicht. Okay?«
    »Wo bleibt denn Ernesto?«, fragte Mose und schaute auf die Uhr. »Wollte er nicht auch Verabschiedungskomitee spielen?«
    Salvador zuckte mit den Achseln. »Eigentlich schon. Er hat mir gestern Abend noch eine Mail geschickt. Er will heute Nachmittag wieder ins Krankenhaus zu Liberty Bell, aber vorher wollte er herkommen. Natasha hat mir allerdings vorhin am Telefon gesagt, er sei schon in aller Herrgottsfrühe verschwunden. Sie hatte keine Ahnung wohin.«
    »Dieses Waldmädchen beutelt ihn emotional irgendwie, kann das sein?«, fragte Mose.
    »Die Lyfords kommen übrigens heute hierher«, sagte Salvador unvermittelt und sah aus dem Fenster. Im Gegensatz zu der Villa, in der Ernesto lebte und von der aus man einen irren Blick über Wälder und den Salmon River hatte, konnte man von Ronans Zimmer aus fast die ganze Stadt sehen.
    »Die wer?«
    »Die Familie von dieser Frau, die nicht Liberty Bells Mutter war«, fuhr Salvador fort. »Mein Dad hat mir erzählt, dass sie heute Vormittag in die Stadt kommen. Formalitäten und so. Baz ist mit von der Partie. Schließlich war Annabelle Lyford fast zwanzig Jahre verschwunden. Das muss man sich

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