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Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Rosen
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Bruchbude getauft. Ernesto schaffte es spielend, die altersschwache Holztür zu öffnen, die Tür fiel einfach an der gegenüberliegenden Seite aus den Angeln, als Ernesto ihr einen Stoß verpasste.
    Es war sehr dämmrig im Inneren von Liberty Bells altem Zuhause. Der Schemel, der alte Holzpflock, auf dem die Pfanne mit den Essensresten gestanden hatte, ebenso wie das Kochgeschirr, die Bücher und die alte, platt gelegene Matratze, alles war verschwunden. Die Hütte roch nach Wald und altem Holz und sonst nichts, und es kam Ernesto unvorstellbar vor, dass Liberty Bell in diesen engen dunklen Wänden vielleicht ihr ganzes, Leben zugebracht hatte. Wenn das wirklich so war, kannte sie keine Straßen, keine Autos, kein Fernsehen, keine Schule, keine Musik. Nichts. Obwohl, Bücher kannte sie. Und Musik. Ihre Mom, falsch, Annabelle Lyford, hatte für sie gesungen. Wer wusste schon, wie viele Lieder in Liberty Bells Kopf stecken mochten. Wenn sie nur je wieder den Mund aufmachte.
    Dann hatte Ernesto die kleine Biberratte entdeckt und sie eingefangen.
    »Los, du bissiger, ekliger Sergeant Pepper«, murmelte er und nahm außer dem Biberrattenjungen noch ein paar Tannenzapfen, einen Stein vom umgewälzten Steinwall, der einmal Annie Lyfords Grab gewesen war, sowie eine langstielige lila blühende Blume mit, die er aus Liberty Bells Blumenbeet abbrach.
    Dann erst überstieg er erneut die weiß-rote Polizeiabsperrung und machte sich auf den Rückweg in die Stadt.
    Besuchszeit. Die Klinik war voller Menschen, die kamen und gingen. Auf dem gewundenen Kiesweg vor dem gläsernen Eingang stieß Ernesto ausgerechnet auf Roy Edwards und seinen Kameramann.
    »Was für ein glücklicher Zufall«, schnarrte Roy.
    In Ernestos Rucksack rumorte der Eve-Nachkomme. Pinkeln, Kacken, er konnte darin eine Menge Sauerei anrichten, aber es schien Ernesto ratsam, ihn verborgen zu halten, solange es ging. Bestimmt wären Riesenschwester und Konsorten nicht sehr begeistert von der Idee, Ratten anstelle von Blumen ins Krankenhaus mitzubringen.
    »Na, besuchst du etwa deine kleine Freundin? Wie geht es ihr denn inzwischen, wenn man fragen darf?«, hakte Roy nach.
    Gab der Typ denn niemals auf? Campte er etwa auf dem Klinikgelände?
    »Keine Zeit, sorry«, murmelte Ernesto und versuchte, einen Bogen um dieses Presseepizentrum zu schlagen.
    »Geheimnisvolle Angelegenheit, was?«, rief Roy herausfordernd, während sein Kameramann am Aufnahmegerät herumfummelte, die Aufnahmelampe leuchtete voyeuristisch. »Hat das Mädchen dir gegenüber das Geheimnis ihrer Herkunft gelüftet? Wer oder was ist sie? Was wusste Flavio Fabiani? Starb er ihretwegen? Was will die Polizei draußen in Wood Green bei der Familie Kyriacou? Und was weiß Bart Coleman, der Leiter des Sozialamtes von Old Town, von der Sache?«
    Endlich schaffte Ernesto es, die beiden Männer abzuschütteln. Herbeigeeiltes, ärgerliches Sicherheitspersonal und der große Besucherlift, in den er floh, leisteten ihm dabei gemeinsame Dienste.
    Dann war er da.
    »Hi Liberty Bell.«
    Diesmal öffnete sie beim Klang seiner Stimme gleich die Augen. Ihre Handgelenke waren wieder fixiert, Ernesto runzelte die Stirn, wickelte die Binden ab, knüllte sie zusammen und steckte sie in seine Jeanstaschen.
    Sekunden später tauchte Dr. Bolino auf. Natürlich, sein Kommen konnte dank Dr. Oakvilles Kamera nicht unentdeckt bleiben.
    »Ernesto«, sagte sie freundlich, aber sie war nervös, das war nicht zu übersehen. »Dr. Walther wird gleich vorbeischauen. Es – es steht eine neue Untersuchungsreihe an, von der – ich gestern leider noch nichts wusste.«
    »Was wollen Sie schon wieder mit ihr machen, verdammt?«, fuhr Ernesto auf.
    »Nichts Schlimmes, keine Sorge«, war Dr. Bolinos Antwort. »Nur eine weitere craniale Computertomografie, also eine Röntgenaufnahme ihres Kopfes. Sie… sie hat das schon einmal mitgemacht. Es ist völlig schmerzlos. Allerdings…«
    Sie schwieg.
    »Allerdings?«, wiederholte Ernesto misstrauisch.
    »Nun, ich weiß nicht, ob du dieses Verfahren kennst. Der – der Patient wird bei dieser Untersuchung auf einer Untersuchungsliege in das Innere einer Aufnahmeröhre geschoben, und da die Röntgenaufnahmen sehr genau sind, dauert diese Art der Untersuchung eine Weile.«
    »Und?«, fragte Ernesto.
    »Viele Patienten fühlen Beklemmungen, während sie in dieser recht engen Aufnahmeröhre liegen. Liberty Bell jedenfalls hatte beim letzten Mal – große Angst, anders kann man es nicht nennen.

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