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Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Rosen
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Einzige das andere Leben, das sie geführt hatte.
    »Hey Liberty Bell«, sagte Ernesto nun leise und legte das Telefon, das sie ihm vorsichtig zurückreichte, rasch auf dem Kliniknachttisch ab. Ihre Hände hatten sich sekundenlang berührt dabei. Ihre Finger waren fest. Man sah und fühlte ihnen an, dass sie schwere Arbeit verrichtet hatten. Dennoch waren sie weich und schmal, wahnsinnig schmal. Plötzlich hatte er auch ihren Geruch wieder in der Nase. Sie duftete nach… Ja, wonach eigentlich? Ihre Haut roch einfach gut, klar und rein und irgendwie aufregend.
    »Hey Liberty Bell…«
    Ganz langsam und vorsichtig legte er seine Hände um ihr Gesicht und küsste sie.
    Hinterher wendete Liberty Bell sich ab und schlug die Hände vors Gesicht, ohne sich zu rühren. Lange saß sie so da. Wie erstarrt. Ohne einen Ton von sich zu geben.
    »Es… es tut mir leid, wenn ich einen Fehler gemacht habe«, sagte Ernesto irgendwann leise. Immer wieder schaute er zur Tür hin und hatte Angst vor dem Moment, an dem eine Krankenschwester hereinschauen und ihn auffordern würde zu gehen. Nichts, nichts sollte diesen Moment unterbrechen. Es war das dünnste Eis, auf dem er je gestanden hatte, das spürte Ernesto deutlich. Jeder falsche Schritt konnte den Einbruch bedeuten. Und es durfte, durfte, durfte nicht einbrechen, dieses Eis.
    »Nein. Kein… Fehler«, antwortete Liberty Bell nach einer weiteren Ewigkeit. »Ich bin nur… erschrocken über das, was ich – in mir… gefühlt habe.«
    »Was… was hast du denn gefühlt?«, fragte Ernesto so leise, dass er sich nicht sicher war, ob sie ihn überhaupt gehört hatte. Aber dann antwortete sie doch.
    »Das – das kann ich nicht sagen… Denn ich – verstehe es nicht. Ich habe… so was noch nie… gefühlt…«
    Liberty Bell nahm schließlich die Hände von ihrem Gesicht und schenkte ihm ein ganz kurzes Lächeln. Einen Moment saßen sie beide beklommen da, dann hob sie den Kopf.
    »Zeigst du es mir?«, fragte sie.
    Ernesto war für einen Moment irritiert. »Was denn?«
    »Das da«, sagte sie und wies auf das glänzende Mobiltelefon auf ihrem Nachttisch.
    Und so fingen sie an, sein Smartphone zu durchforsten.
    »Das da ist Salva«, sagte Ernesto und suchte im Bilderordner nach einer schon etwas älteren Aufnahme. »Er ist mein bester Freund, glaube ich. Und das ist Dalí, sein Hund. Er hat nur drei Beine und irren Mundgeruch, aber ohne Dalí ist Salvador nun mal nicht zu haben…«
    Liberty Bell saß dicht neben ihm. Ernesto spürte ihre Körperwärme und hatte das Gefühl, dass es das Beste war, was er jemals gefühlt hatte.
    »Und wer ist das?«, fragte sie und deutete auf eine weitere Aufnahme.
    »Tja, das ist – Darayavahush. Er ist auch ein Freund von mir. Ich habe dir schon von ihm erzählt. Diese Aufnahme war… nur – Blödsinn, halt.«
    Auf dem Bild hielt sich Dara mit triumphierender Miene einen riesigen Kürbis vor die Hose, so als wäre das Ding ein gigantisches, aufgerichtetes Geschlechtsteil. Mit den Fingern der anderen Hand zeigte er das Victory-Zeichen.
    »Zeig noch mehr, bitte«, drängte Liberty Bell. Ihre Köpfe beugten sich gemeinsam über das kleine Gerät. »Hast du auch ein Bild von – deinem Freund, der gestorben ist?«
    Klar hatte er Aufnahmen von Jaden. Im vergangenen Jahr hatte er ihm eine Weile den Spitznamen Legs verpasst, weil Jaden damals wie ein Irrer joggen gegangen war und immer und überall nur in Leggins aufgetaucht war. Verdammt und jetzt war er tot, nur weil er über diese wahnsinnig befahrene Straße gelatscht war, ohne nach links und rechts zu schauen. Warum nur hatte er diesen Blödsinn gemacht?
    In diesem Moment erinnerte Ernesto sich an einen Satz, den Jaden einmal im letzten Jahr gesagt hatte, als er an einem Samstagnachmittag in seinen Laufklamotten unterwegs gewesen war und vor dem Ed’s beinahe in Ernesto und Salva hineingerannt wäre. Es war einfach zu eng gewesen auf dem Gehweg: Ernesto und Salva standen herum und quatschten, ein fremder Radfahrer schob sein Bike umständlich über den Bordstein und Jaden kam unverhofft um die Ecke gejoggt.
    »Wie kann man sein Bike nur schieben?«, hatte Jaden kopfschüttelnd bemerkt und dem Mann verwundert hinterhergeschaut. »Also ich laufe, wenn ich zu Fuß unterwegs bin. Und ich fahre, wenn ich mein Bike dabeihabe! Alles andere ist doch Blödsinn! Mit seinem Bike geht man doch nicht spazieren!«
    Ernesto fröstelte für einen Moment, während er an Jadens Worte zurückdachte, aber dann riss er

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