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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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zu einem Mechaniker zu bringen.
    Juliaz verabschiedet sich. Jeden Tag hält er im Bett des Gärtners Philippo ein Nachmittagsschläfchen, bevor er mit dem Rad nach Hause fährt: auf einem alten, schweren Fahrrad aus China die östliche Senke entlang und ein Stück den Berg hinauf. Er fährt jeden Tag hin und her, obwohl es in der Dienstbotenwohnung ein leeres Zimmer gibt. Andererseits ist er aber auch ein alter Mann und will nicht zu früh nach Hause kommen, denn sonst würde ihn Flora, seine Frau, die sich um die kleine Landwirtschaft und die Haustiere kümmert, nur zum Arbeiten anstellen.
    Es wird dunkel. Die Luft ist unbeständig, und dann passiert es: das plastische Geräusch der ersten schweren Tropfen, die auf die Vegetation treffen. Ich laufe hinaus in den Garten. Es schüttelt mich, als mir die dicken Tropfen auf die Haut klatschen. Der Regen bindet den Staub am Boden, und die feuchte Erde verbreitet einen würzigen Duft. Die Lufttemperatur fällt spürbar, die gesamte Vegetation wird rein gespült, die Blätter schimmern feucht glänzend. Rotbraunes Wasser schießt aus dem defekten Fallrohr, auf dem Wellblechdach des Nachbarn klingt der Regen wie Maschinengewehrfeuer. Ich trete in den Schutz der Veranda, nass bis auf die Haut, und zünde mir eine Zigarette an; der Tabak schmeckt deutlich besser, wenn der warme Rauch zusammen mit der klaren, kühlen Luft in die Lungen gesogen wird. Brühend heißer schwarzer Kaffee, denke ich und renne in die Küche, setze im Elektrokessel Wasser auf und koche mir eine Tasse. Dann fällt mir etwas ein: Ich laufe ins Wohnzimmer, blättere rasch die Platten durch und finde Gabriel Faurés Requiem . Die Töne strömen in die Luft, während draußen die Autos mit pulsierenden Scheibenwischern vorbeifahren und nicht ein Staubkorn auf der Straße aufwirbeln. Die kurze Regenzeit hat begonnen.
    »Christian«, höre ich es an der Vordertür. Es ist Marcus. Ich öffne. Auch er ist bis auf die Haut nass. Ein Strom von rotbraunem, schlammigem Wasser läuft die Einfahrt hinunter, und das Quaken der Frösche mischt sich mit Streichern, Gesang und Zikaden.
    »Komm rein«, sage ich. »Ich geb dir was Trockenes.«
    »Du hörst ja verrückte Musik«, sagt Marcus und lacht.
    »Was machst du hier?«
    »Ich hab dich ein paar Tage nicht gesehen, ich dachte, vielleicht bist du krank.« Marcus zieht sich trockene Sachen an, wir setzen uns ins Wohnzimmer. Draußen regnet es weiter.
    »Kalt ist es hier«, sage ich.
    »Ich zünde den Kamin an«, sagt Marcus. Die alten Häuser aus der Kolonialzeit haben alle einen Kamin. Marcus knüllt ein paar Zeitungen zusammen und legt Zweige darauf. Bald lodert das Feuer.
    »Was willst du hören?«, frage ich ihn und gehe zur B&O-Anlage.
    »Darf ich sie bedienen?«
    »Ja, sicher.«
    »Wo muss ich drücken?«, will er wissen. Ich zeige es ihm. »Ich mag diese Technik«, sagt er.
    »Wie läuft’s mit Rosie?«
    »Rosie ist nach Arusha gefahren. Wir sind nicht mehr zusammen.«
    »Oh, tut mir leid.«
    »Sie war ein gieriges Mädchen«, sagt er. »Hast du eine Freundin auf deiner Schule?«
    »Nein, nicht wirklich. Lass uns Popcorn machen.« Wir gehen in die Küche, erhitzen Mais, setzen Tee auf und hören Eddy Grant im Wohnzimmer – laut. Rauchen Zigaretten. »Wann schickt Larsson dich zu einem Praktikum nach Schweden?«
    » Tsk , keine Ahnung«, erwidert Marcus. »Er redet mit allen im Projekt über Schweden, aber niemand wird geschickt.« Marcus dreht die Kassette um. »Verstehst du, in Schweden könnte ich mir eine Anlage beschaffen, wie sie Alwyn im Liberty hat. Dann könnte ich ein gutes Geschäft aufbauen und auf eigenen Füßen stehen.«
    »Wär gut.«
    »Kommt dein Vater nicht nach Hause?«
    »Glaub ich nicht. Vielleicht ist er im Club.«
    »Glaubst du, ich könnte die alten Ausgaben des Economist haben?«, fragt Marcus und zeigt auf einen Stapel, der mit dem Anfeuerholz in einem Korb liegt.
    »Ja, natürlich. Was willst du damit?«
    »Mein ganzes Leben bin ich in Tansania gewesen. Ich lese gern über die Welt, damit ich für Europa vorbereitet bin.«
Marcus
    DER KOLONIALHERR AUF DEM BERG
    Jonas ruft morgens vom Haus aus nach mir.
    »Du musst zur Simba Farm fahren und einen Brief abliefern«, sagt er und gibt mir den Brief. »Und bring die Antwort auf den Brief gleich mit – nur ja oder nein. Ach ja, und schneid unterwegs ein paar frische Eukalyptuszweige für die Sauna heute Abend.« Die wazungu mögen den Duft von Eukalyptus, wenn sie schwitzen.
    Erst ins

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