Liberty: Roman
erzählt das im Gerichtssaal«, sagt Gösta zu Knudsen.
»Dann behaupten wir einfach, die Polizei hätte die Leiche hinaufgelegt, um uns hinterher zu erpressen.«
»Dann wird der Richter von uns sein Bakschisch fordern«, sagt Gösta. »Ich glaube, es ist billiger, ihn gleich hier zu bezahlen.«
Der Polizeibeamte lacht: »Der tote Mann wird auch zu keiner Flugmaschine, wenn Sie sich in einer merkwürdigen Sprache unterhalten.«
»Wer hätte etwas davon, ihn zu ermorden?«, fragt Gösta, nun wieder auf Englisch. Der Polizist zuckt die Achseln: »Vielleicht kann ein anderer Mann die Frau gut leiden und will ihren Mann aus dem Weg haben – das ist normal.«
Gösta schüttelt den Kopf: »Jetzt hat die Frau zwei Kinder und keinen Mann. Sie muss zurück nach Europa, und sie hat nicht einmal ein Haus.«
»Aber ich muss in meinem Bericht schreiben, dass ich nicht sicher bin, ob der Mann gefallen ist. Vielleicht wurde er geschlagen«, sagt der Polizeibeamte. Knudsen schwitzt, sein Hemd ist klatschnass. Ja, spür die Furcht des Lebens.
»Und was passiert dann?«, fragt Gösta.
»Dann wird der Richter zu den Beweisen Stellung nehmen«, sagt der Polizeibeamte. Der Tanz hat angefangen.
»Seine Frau ist jetzt Witwe, mit zwei Kindern. Es wird ihr in Europa eine Menge Probleme einbringen, wenn jemand glaubt, ihr Mann sei ermordet worden«, sagt Gösta. Der Polizist zuckt wieder die Achseln. »Wie können wir Ihnen helfen, den Fall zu klären?«
»Das Leben ist hart in Tansania«, sagt der Polizist. »Lassen Sie uns in den Schatten gehen.» Sie gehen ums Haus zur Verandatür. »Stör uns jetzt nicht«, sagt der Polizist zu mir. Ich humpele auf meinen Rosinen-Beinen zu meinem Ghetto und behalte die Veranda im Auge. Sie kommen wieder heraus. Der Polizist geht zu seinem Auto. Ich gehe wieder auf die Veranda. Als bwana Knudsen mich kommen sieht, fällt er wieder in sein merkwürdiges Schwedisch.
»Was hast du ihm gegeben?«, fragt er Gösta.
Gösta nennt eine Zahl so groß wie ein Jahreslohn.
»Hattest du so viel bei dir?«
»Ja, meine Frau hat es mir erklärt.«
»Du bekommst es zurück, ich gebe es dir wieder«, sagt bwana Knudsen.
»Das ist nicht nötig.«
»Doch, du sollst doch nicht …«, beginnt bwana Knudsen. Gösta unterbricht ihn: »Du kannst mir die Hälfte geben.«
»Hauptsache, Katriina erfährt nichts davon.«
»Genau«, sagt Gösta. »Es ist schon schlimm genug.«
Und ich, ich denke nur an Schweden. Ist dieser Tod ein Plus oder ein Minus für meine schwedische Pilgerfahrt?
Christian
Am späten Nachmittag kommt der Alte nach Hause.
»Was ist da unten passiert?«, will ich von ihm wissen.
»Du kannst jetzt runtergehen und es abholen, aber stör niemanden.«
»Was abholen?«
»Das Motorrad.«
»Aber was ist mit Katriina und den Kindern?«
»Die …« Der Alte bricht ab, zuckt resignierend die Achseln.
»Was ist mit Jonas?«
»Nun ja, die Polizei ist den ganzen Nachmittag dort gewesen. Jonas’ Leiche liegt im KCMC , bis die Polizei sie freigibt und Katriina sie nach Hause bringen kann.«
»Will sie nach Hause?«
»Ja. Sie will ihn zu Hause begraben.«
»Kommt sie zurück?«
»Ich weiß es nicht.«
»Und was sagt die Polizei?«
»Du weißt doch …«, der Alte seufzt. »Sie hatten Marcus verhaftet.« Er sieht mich an.
»Marcus!?«
»Ja. Er ist wieder frei. Na ja, es ist einfach … Sie wollen gern den Eindruck hinterlassen, als täten sie etwas.«
»Aber … es war doch ein Unfall, oder?«
»Sie müssen ›investigate‹, sagen sie.«
»Das ist doch bescheuert.«
»Wie auch immer … wenn du willst, kannst du das Motorrad jetzt holen. Oder hol es später. Ich fahre zu Gösta, um ihm zu helfen … die Dinge zu organisieren.«
Als ich bei den Larssons ankomme, sitzt Marcus vor dem Ghetto auf einem Stuhl. Er ist grau unter der Haut und hat blaue Flecken im Gesicht.
»Was ist mit Jonas passiert?«, frage ich ihn.
»Weiß ich nicht«, antwortet Marcus.
»Aber du warst doch hier.«
»Ich war im Haus. Ich weiß nicht, was in der Sauna passiert ist.«
»Und was passiert jetzt?«
»Ich weiß es nicht«, erwidert Marcus erneut. Ich setze mich, wir rauchen Zigaretten. Marcus lehnt seinen Kopf zurück und schließt die Augen.
»Ich muss wieder los«, sage ich. »Die Internatsschüler müssen jetzt zurück sein.«
»Okay«, antwortet er, ohne die Augen zu öffnen.
»Okay, bis dann.« Ich fahre nach Hause und parke das Motorrad. Vater sitzt im Sofa und starrt leer in die Luft. »Du musst
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