Liberty: Roman
sehen zu, wie ein Vater oder Freund angesteckt wird – Garden of Heaven nennen sie den Platz.
Im FITI unterrichtet eine ganze Gruppe von Schweden und Finnen: Bäume fällen, Bretter und Bauholz aus dem Stamm schneiden, Sperrholz produzieren.
Wenn Jonas und Asko Englisch reden, hört es sich an, als würde ein Gebäude einstürzen. Meine Aufgabe ist es, auf die einheimischen Handwerker aufzupassen, die für FITI einen Lagerraum für die schwedische Sägeausrüstung bauen sollen. Ich muss mich beeilen, um direkt nach der Schule zu dieser Arbeit zu fahren. Nur fünf Minuten zu spät, und bwana Jonas brüllt: »Wir arbeiten hier nicht nach afrikanischer Zeit!« Weiße Zeit, jede Sekunde zählt. Wenn du auf der Straße in der Sonne deiner Tante begegnest und sie schleppt wie ein Esel, kannst du nur hupen und weiterfahren. Du darfst nicht stehen bleiben und Guten Tag sagen. Du darfst nicht helfen. Tsk , Wahnsinn.
Ich muss die Schule schwänzen, um die schwedischen Aufgaben zu erledigen, und hinterher schlägt mich der Lehrer. Ich gebe dabei keinen einzigen Ton von mir. Ich kenne das System von meinem Vater. Wenn ich schreie, wird die Erregung größer, und es wird Schläge regnen. Wenn ich still bin, ist Verprügeln langweilig. Doch das Motorrad des Projekts hebt mich in der Schule in eine neue Kategorie. Vorher war ich ein armer Dreckfink, beinahe ein Bettler. Ich konnte überhaupt nicht mit der Prinzessin der Klasse reden, Rosie. Jetzt möchten alle mal mitfahren. Rosie so nah an meinem Rücken – die weichen titi lassen mein Herz rasen. Eeehhh . Ich halte an einem Kiosk und kaufe ihr eine Cola. Wir setzen uns auf eine Bank.
»Wie ist es, bei den wazungu zu wohnen?«, will Rosie wissen.
»Das ist ganz ausgezeichnet. Ein gutes Haus mit High-Fidelity-Musiksystem, besonderem Essen aus Europa, importiertem Bier – ein entspannter Lebensstil.«
»Das klingt schön«, sagt Rosie und rückt näher an mich heran. Eeehhh – der Traum von Europa lässt sie schmusig werden. »Haben sie diese tolle Musik von ABBA ?«
»Ja, natürlich. Es sind Schweden – ABBA kommt aus ihrem Land.«
»Wirklich?«, sagt Rosie. »Ich bin verrückt nach dieser Musik, glaubst du, ich könnte mal kommen und sie mir anhören?«
»Ich schenk dir eine Kassette«, sage ich.
»Wirklich? Das würde mich echt freuen.«
Ich bin bereits glücklich, wenn ich nur daran denke, wie sie sich freuen wird, wenn sie die Kassette bekommt. Aber ich muss diese Glückseligkeit unterbrechen, Rosie nach Hause fahren und zur FITI rasen, um die Handwerker zu beaufsichtigen.
KARTOFFELMUS
Endlich ist es zu dunkel, ich kann nach Hause fahren, total müde. Ich stelle das Motorrad ab, bevor ich das Tor erreiche, damit meine Ankunft unbemerkt bleibt; ich rolle im Leerlauf. Jonas’ Yamaha steht vor dem Haus. Das Auto ist fort. Das Hausmädchen darf mich auch nicht hören, weil wir uns dann nur wieder streiten würden, warum ich Licht habe, während sie wie ein Neger im Dunkeln leben muss. Ich parke das Motorrad in der Garage und schleiche mich in mein Ghetto wie eine leise Maus. Schließe meine Tür, ziehe die Gardine vor und lege mich ins Bett. Die ganzen Zikaden und Insekten lärmen höllisch, so dass das Hausmädchen mich nicht hört und nicht mit ihrem Gerede über die Decke und den Strom anfangen kann. Ein flackerndes Licht weckt mich; die Petroleumlampe des Hausmädchens wirft Strahlen an den Dachfirst, und ich denke, wenn Jonas die Decke nicht bezahlen will, muss ich selbst das Geld beschaffen. Ich kann nicht das Leben des Hausmädchens und mein eigenes leben. Sie müssen sich getrennt abspielen.
Die Hunde in der Nachbarschaft bellen wie verrückt – es ist bereits tiefschwarze Nacht draußen, aber ich höre auch noch ein anderes Geräusch. Was macht sie da? Ist das Jonas? Die Stimme ist belegt, irgendetwas mit sawadi – ein Geschenk. Sehr leise klettere ich aus dem Bett auf den Boden und auf den Schreibtisch. Ich richte mich auf. Wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle, kann ich über die Mauer zu ihr hinübersehen. Eeehhh , es ist Jonas, der auf ihrem Bett sitzt, aber was ist das? Trügen mich meine Augen? Er hat seine Pumpe aus der Hose geholt, und sie arbeitet mit der Hand wie ein Schneebesen, der Kartoffelmus schlägt.
» Nzuri sana «, sagt er – sehr gut. Er hat ihr T-Shirt hochgeschoben und greift nach ihren titi – sie stehen zu Berge. Jetzt versucht er, ihren Kopf auf seine Pumpe zu drücken.
»Ah-ahhhh«, sagt sie kopfschüttelnd, lässt
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