Liberty: Roman
fast alles. Er lächelt.
»Wenn ich sehe, welcher Mann die Witwe übernimmt, sehe ich gleichzeitig den Mörder.«
Ich antworte ihm in meinem schlechten Kichagga, vorsichtig, um ihn nicht zu provozieren: »Wenn es Beweise gäbe, würde der Mörder doch schon vor Gericht stehen.« Er hebt den Zeigefinger.
»Pass auf«, sagt er. »In Tansania kann ein Fall auch ohne Beweise angeklagt werden.«
»Was sagt er?«, fragt Katriina auf Schwedisch.
»Halt den Mund«, sage ich zu ihr auf Schwedisch, und der Polizeimann redet lächelnd weiter in Kichagga auf mich ein: »Du verstehst mehr, als man unmittelbar sehen kann – vielleicht weißt du ja alles.«
»Ich weiß gar nichts«, sage ich. »Ich stecke wegen des Todes des mzungu selbst in einer Lebenskrise.«
»Ich mag keinen Mord ohne Mörder. Ich werde euch alle im Auge behalten«, sagt er auf Kichagga, steht auf und streckt Katriina die Hand hin.
»Auf Wiedersehen«, sagt er auf Englisch. Sie schüttelt seine Hand und verabschiedet sich. Wir gehen hinaus in die brennende Sonne vor dem Polizeirevier.
»Was hat er gesagt?«, fragt Katriina.
»Dass wir aufpassen sollen.«
»Weshalb?«
»Weil er keinen Mord ohne Mörder mag.«
»Aber es war kein Mord«, sagt Katriina mit schriller Stimme.
»Er behält uns im Auge«, sage ich und gehe zum Auto.
»Soll ich ihm Geld geben?«
»Er wurde bereits bezahlt.«
»Von wem?«
»Von Gösta und bwana Knudsen«, sage ich und öffne die Tür. Sie bleibt an der Beifahrerseite stehen.
»Aber …«, sagt sie. Ich fahre sie an: »Was glaubst du, weshalb wir noch frei auf der Straße herumlaufen?« Katriina antwortet auf die Frage nicht. Ich setze mich ans Steuer, lasse den Wagen an.
»Was bedeutet das, er behält uns im Auge?«
»Ich weiß es nicht«, sage ich.
»Vielleicht sollte ich ihm noch mehr bezahlen.«
» Tsk «, sage ich. Ich, ich bin es, der nicht bezahlt wird. Die Leiche fliegt nach Europa, aber wo ist mein Ticket? Bin ich auf ewig, bis zu meinem Tod, im Wartesaal Tansania gestrandet?
DAS BETT DER WITWE
Fast jeden Abend kommt bwana Knudsen vorbei und unterhält sich mit Katriina. Er holt sie und die Mädchen zu einem Abstecher ins Hotel Tanzania ab. Er nimmt sie mit auf einen Ausflug zum Ngorongoro. Er isst im Haus und liest meiner weißen Tochter Rebekka ein Buch vor; er spielt mit Solja Frisbee auf dem Rasen. Alles Dinge, die Jonas nie getan hat – bwana Knudsen tut sie. Und plötzlich, eines Morgens, als ich aufstehe, steht sein Land Rover in der Einfahrt; und jetzt bin ich es, der auf die Kühlerhaube fasst, so wie es Katriina damals frühmorgens bei Jonas’ Auto gemacht hat, als es die Probleme gab. Sie bekam eine warme Hand, denn der Motor hatte Jonas die ganze Nacht zu seinen Pumpereien gefahren. Ich behalte eine kühle Hand, der Motor hat sich nicht bewegt, aber was ist mit Knudsen? Hat er sich ins Bett der Witwe bewegt?
Es weckt in mir eine Hoffnung. Wenn Katriina den Fisch bwana Knudsen fangen kann, dann können meine weißen Mädchen in meiner Nähe leben, dann werde ich sie auch weiterhin sehen. Das hoffe ich.
Christian kommt Freitagabend zu meinem Ghetto; am Wochenende wohnt er im Haus seines Vaters.
»Ich will ins Liberty. Kommst du mit? Ich habe Geld«, sagt er.
Wir gehen ins Liberty, wo Faizal auflegt. Christian trinkt Bier und guckt den jungen Mädchen nach.
»Magst du sie?«, frage ich ihn.
»Ja, hier gibt es viele hübsche Mädchen«, antwortet er. Ich nehme ihn mit nach oben, in den DJ -Käfig, der unter dem Dach über der Bar aus Glas gebaut ist. Man geht neben der Bar durch eine Tür, dann die Treppe hinauf.
»Das ist Christian«, sage ich. »Der die gute Musik hat, die ich dir überspielt habe.«
»Ahhh, Christian«, sagt Faizal. »Du bist der Experte in guter Musik. Ich bin sehr froh darüber.«
»Du spielst gut«, sagt Christian. »Alle sagen, du bist Moshis bester DJ .«
»Ja, ich kann eine leere Tanzfläche zu einem großen ngoma werden lassen«, sagt Faizal. Und das ist die Wahrheit, die Tanzfläche ist voll. Aber ich weiß, dass Faizals Ausrüstung einem Araber gehört, der viel Geld vom Besitzer des Liberty bekommt – und Faizal bekommt nur einen kleinen Lohn von dem Araber, und doch glauben alle, er sei der große König. Die Mädchen auf der Tanzfläche winden sich, um die Aufmerksamkeit des DJ -Käfigs zu erregen.
»Die Mädchen tanzen für dich«, sage ich.
»Ja, alle wollen meine schwarze Mamba«, sagt Faizal und guckt Christian an. »Ich habe von deinem Vater
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