Liberty: Roman
Christian die Idee für fantastisch hält.
»Hm«, sagt er.
»Wenn du kommst, sobald du mit der Schule fertig bist, können wir ein gutes Geschäft aufziehen, von dem wir beide satt werden. Wenn du die Musik hier lässt, kann ich sogar Geld für uns verdienen, während du deine Schule beendest. Und wenn du zurückkommst, habe ich das Geld für den guten Start eines richtigen Disco-Ladens gespart. Dann fehlt nur noch die große Ausrüstung.«
»Hm«, sagt Christian noch einmal. »Was für eine Ausrüstung braucht man denn, um die Discos hier zu bespielen?« Ich erkläre es ihm.
»Und Claires Schwester Patricia hat mir erzählt, ihre Kirche hätte einen guten Gitarristen, der den Zaire-Stil kann«, sage ich.
Am Tag vor seinem Abflug landet seine Musik in meinem Ghetto.
»Du darfst die Platten nicht verleihen. Sie müssen hier im Haus bleiben«, sagt er. »Niemand außer dir darf daran herumfummeln.«
»Ja«, sage ich.
HOLOCAUST
Am frühen Morgen stehe ich auf und gieße Wasser in Eimer, die ich zum Schuppen der Hühner trage. Das Hausmädchen könnte es übernehmen, aber versteht sie etwas von Hühnern? Nein. Es gab Probleme mit Magenverstimmungen und geringem Wachstum, der Hühnerfarmer Marcus muss also aufmerksam sein. Und was sehen die Farmer-Augen, als er die Tür aufmacht? Den Holocaust. Die Hühner liegen übereinander, still, schlapp – Tod und Verderben –, nur ein kurzes Zucken der Nerven hier und da. Nein, nein, nein, nein, nein. Direkt aus den Augen, ein großer Fluss. Tsk , noch mehr Probleme kann ich nicht bewältigen. Sollen wir hungern? Ich gehe zur Hintertür des Hauses und höre das Hausmädchen in der Küche hantieren.
» Toka! – nenda kulala !«, rufe ich mit grimmiger Stimme, bevor ich die Tür öffne. Sie soll mich nicht als jammerndes Weib sehen. Das Hausmädchen verschwindet, aber Claire hat das Geschrei gehört und kommt mit unserem Baby auf dem Arm in die Küche.
»Was ist denn los?«, flüstert sie und nimmt meinen Kopf in ihre Hände.
»Es geht nicht. Ich kann nicht mehr.«
»Was ist passiert?«
»Die Hühner – sie sind tot.«
»Alle?«
Ich nicke.
» Pole «, sagt sie und streichelt meinen alten Kopf. Sie fragt nicht, was wir tun sollen. Das ist mein Problem – ich bin der Mann. Es ist an der Zeit, sich Gedanken zu machen. Harte Gedanken. So ist das afrikanische Leben: Bevor ein Stein eine Skulptur werden kann, braucht es viele Schläge.
»Hol Zigaretten«, sage ich. Das Hausmädchen holt sie. »Komm mit Kaffee.« Sie bringt mir Kaffee. »Ich will Omelett.« Sie kommt mit einem Omelett, von dem ich ein bisschen esse, dazu Kaffee mit viel Zucker und eine Zigarette nach der anderen.
Es gibt keine Antwort. Das Kopiergeschäft ist gut gelaufen mit Christians neuer Musik. Alle, die mich kennen, haben Kassetten gekauft – sogar DJ Faizal, obwohl es unglücklich sein könnte, wenn er im nächsten Jahr, wenn Christian zurückkommt, auch alle guten Songs hat. Ich hoffe, die Marcus & Christian Ltd. wird der neue Disco-King in der Stadt. Jetzt ist der Kundenstrom des Kopiergeschäfts versiegt. Denn von der Uru Road aus bin ich total unsichtbar in meinem Haus.
Claire befiehlt dem Hausmädchen, sich um den Kiosk zu kümmern, obwohl sie nicht zwei und zwei zusammenzählen kann. Claire schenkt mir mehr Kaffee ein, gibt Zucker dazu, rührt um.
»Ich habe mir etwas überlegt«, sagt sie und setzt sich.
» Eeehhh .« Niemand kann uns hören. Es ist der Mann, der denken soll. Wenn die Frau anfängt zu denken, wo bleibt dann die Notwendigkeit eines Mannes?
»Willst du es hören?«, fragt Claire. Ich gucke sie an. Sie sieht unglücklich aus – das ist die Furcht vor der Zukunft.
»Ja«, sage ich. Claire will Kleider verkaufen.
»Wenn du einen kleinen Laden in der Stadt mietest, könntest du dort das Kopiergeschäft betreiben und ich davor Kleider verkaufen.«
»Und wer passt auf das Baby auf?«
»Meine Mutter und meine Schwester, sie können mir helfen. Es könnten gebrauchte Kleider vom Markt in Kiborloni sein. Meine Mutter könnte sie waschen und flicken. Die reichen Frauen aus der Innenstadt sieht man nie in Kiborloni. Und wenn wir einen Überschuss erwirtschaftet haben, könnten wir uns vornehme Sachen aus den Nähstuben Sansibars besorgen.«
»Es ist teuer, nach Sansibar zu fahren.«
»Ich könnte den Bus nach Daressalaam und eine billige Schiffspassage nehmen und exklusive Kleider kaufen. Und Taschen, ein bisschen Schmuck und Halstücher – alles zum Einkaufspreis.
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