Liberty: Roman
Familie meinen Kiosk bestohlen hat, weil er gegenüber von der Polizeischule auf ihrem Grundstück stand. Nechi, der mir täglich Josephinas Spezialessen brachte, als ich im KCMC im Sterben lag. Nechi, dessen korrupte Familie ihm ein Stipendium zur Journalistenausbildung in Kanada verschafft hat. Jetzt ist er zurück, ein ganz dicker Fisch.
»Ich bin Daily-News -Korrespondent der Kilimandscharo-Region«, sagt er. Feine Klamotten, Bauchansatz, Mädchen um ihn herum – die sprachlichen Betrügereien gehen ihm sehr schnell und glatt von den Lippen. Jetzt werden die Parteibosse ihn schmieren, damit er schreibt wie ein Blinder, und sein Leben wird die fetteste Leckerei.
»Bis bald, Marcus«, sagt er schnell und hinterlässt mich in meinem Sumpf. Ich hätte in Europa sein und mir ein solides Fundament aufbauen können. Aber meine schwedischen Sponsoren haben mit gespaltener Zunge nur leere Versprechungen gegeben. Jetzt bin ich gezwungen, meine Chancen bei einem weißen Jungen auszuprobieren.
Christian
»Ich hasse es«, erkläre ich meinem Vater. »Ich will nicht zurück.«
»Christian«, seufzt er. »Beende das Gymnasium, dann kannst du immer noch hierherkommen; nimm ein Sabbatjahr, ich werde das Ticket bezahlen. Aber es ist wichtig, dass du eine Ausbildung erhältst.«
»Aber ich weiß nicht, was ich will.«
»Es ist nicht so wichtig, was für eine Ausbildung man bekommt, Hauptsache, man hat eine. Hinterher wirst du sie brauchen können, auch wenn du etwas anderes machst.«
»Hörst du mir eigentlich zu?«, frage ich ihn. »Ich hasse es, dort zu sein. Ich hasse es, bei Tante Lene zu wohnen. Die Schule ist sterbenslangweilig. Und Aalborg ist das Allerletzte. Ich hasse es.«
»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«, fragt er. »Vielleicht solltest du dir eine Lehrstelle suchen.«
»Als was?«
»Was könntest du dir denn vorstellen?«
»Weiß ich doch nicht.«
»Du warst es, der dafür gesorgt hat, dass du von der ISM geflogen bist.«
»Ja, weil du mich als Internatsschüler ins Gefängnis gesteckt hast, obwohl du hier gewohnt hast.«
»Ich kann dich ebenfalls gern an die historischen Tatsachen erinnern«, erklärt Vater. »Wenn ich gearbeitet habe, hast du in der Schule dermaßen über die Stränge geschlagen, dass sie mich gezwungen haben, dich ins Internat zu stecken – anderenfalls wärst du geflogen!«
»Ja, und als ich aufs Internat kam, haben sie mich ja auch gefeuert.«
»Es war deine eigene Schuld.«
»So sehe ich das aber nicht.«
»Du bist neunzehn Jahre alt, Christian. Wenn du dich aufführen willst wie ein Säugling, bitte. Aber ich muss mir das nicht anhören.« Er steht auf und geht hinaus.
Während des Abendessens versuchen wir, uns zivilisiert zu benehmen.
»Was ist mit Jarno?«, erkundigt sich Vater. »Was soll er in Finnland?«
»Er muss zum Militär. Es gibt dort die Wehrpflicht.«
»Und was sagt er dazu?«
»Er ist nicht gerade begeistert.«
»Aber du hast ein Freilos gezogen, oder?«
»Das habe ich dir doch erzählt. Kannst du dich nicht erinnern?«
»Doch, doch«, sagt er und isst, legt sich nach. Wir essen eine Weile schweigend weiter, dann fragt Vater: »Hast du Samantha in Dar gesehen?« Ich schlucke und lüge hastig: »Nein. Sie ist nach England geflogen.«
Ich bringe Victor um.
Marcus
GROSSE ATTRAKTION
Christian ist mit seinem Vater, Katriina und den Mädchen auf einer Safari gewesen. Als sie zurückkommen, erzählen sie mir, dass Christian in Arusha ist. Aber nach einer Weile sagt Phantom, er hätte den weißen Jungen in der Stadt gesehen. Ich fahre zu bwana Knudsens Haus. Christian sitzt vor der Tür.
»Wo ist deine Musik?«, frage ich ihn.
»Im Wohnzimmer«, sagt Christian. Niemand sonst ist im Haus. Ich gehe sofort ins Wohnzimmer – eeehhh , Langspielplatten und Kassetten, von denen du nicht zu träumen wagst: viele, spannende, neue, lebendige.
»Mit dieser Musik und nur einem Plattenspieler und einem guten Kassettenrekorder kann man den besten Kopierladen in der Stadt aufmachen. Alle werden kommen, denn diese Töne … gab es noch nie in Moshi.«
»Wirklich?«, fragt Christian. Und ich erkläre und male ein leuchtendes Bild: Geld, das in unsere Taschen fließt.
»Man könnte einen Laden in der Stadt mieten und einen einzigen Lautsprecher auf die Straße stellen – das wäre eine große Attraktion.« Ich frage nicht: Woher soll das Geld für den Laden kommen? Das Senfkorn wird in die Erde gesteckt, jetzt bleibt abzuwarten, ob die Pflanze wächst und
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