Liberty: Roman
in einem Flüchtlings- oder Kinderheim. Du wirst es doch wohl noch ertragen, wenn ich dich mal besuche?« Sie fügt ein »Leb wohl« hinzu, bevor sie auflegt. Hinterher weint sie, da bin ich sicher – sie ist so weiß. Es steckt nicht viel Samantha in ihr. Aber es könnte auch sein, dass ich eine Band auf die Beine gestellt habe, bevor sie kommt. Marianne singt gut.
Dann folgt ein noch anstrengenderes Telefonat mit meiner Mutter, die aus Genf anruft und mit Nachdruck »so enttäuscht« ist.
Wie sich herausstellt, kann ich es mir nicht leisten, die Ausrüstung mit dem Flugzeug zu verschicken, sie ist zu schwer. Ich leihe mir das Auto meines Onkels und fahre die geklaute Ausrüstung zu Anders. Dort kann sie stehen bleiben, bis ich das Geld für die Fracht beschafft habe. Ich breche mit einem Stapel LP s und einer kleineren Ausrüstung auf, die aus einem gebrauchten, aber guten Luxman-Verstärker und einem Bausatz besteht, um einen oder zwei Lautsprecher zu bauen, die okay sind. Marcus hat einen Kassettenrekorder und einen Plattenspieler. Zumindest können wir Musik machen.
Die Msasani-Halbinsel in Daressalaam, wo die Reichen wohnen. Ich gehe von Ingemars Haus bei Alison und Frans vorbei. Durch die Hecke sehe ich, dass sie nicht mehr da sind. Der Garten gleicht einer Wüste. Afrikaner sind eingezogen. Ich besuche Diana, die sich auf der Schule mit Samantha ein Zimmer geteilt hat. Sie sind so westlich, dass sie einen Gärtner beschäftigen. Diana ist in den Semesterferien von ihrem Studium in Kanada zurückgekehrt, ihr Vater bewohnt selbstverständlich eine große Villa auf Msasani. Diana ist die Einzige, die weiß, dass ich in Dar bin. Shakila ist auf Kuba, Jarno in Finnland. Alle sind fort.
Es ist eigenartig, mit Diana auf der Veranda zu sitzen, während das Hausmädchen Kaffee und Juice serviert. Wir sind nie gute Freunde gewesen, aber es tut gut, sie zu sehen.
»Was ist mit Sharif?«, erkundige ich mich. »Ist er in Tansania?«
» Tsk «, antwortet Diana. »Er ist ein totaler Fanatiker geworden.«
»Ein Fanatiker?«
»Moslem. Als er aus Dubai zurückkam, hatte er sich einen Mullah-Bart stehen lassen und lief in muslimischem Zeug herum. Als ich ihm begegnet bin, wollte er mir nicht die Hand geben.«
»Wie meinst du das?«
»Er wollte nicht die Hand einer Frau berühren – meine Hand!«
Im Krankenhaus treffe ich Shakilas jüngeren Bruder Valentine.
»Kommt Shakila in den Ferien nach Hause?«
»Nein, sie kommt nicht. Sie fliegt zu unserer Mutter in die USA , wenn sie Ferien hat.«
»Und du?«
»Ich bin auf dem Weg in die USA «, antwortet Valentine.
»Darfst du denn einreisen?«
»Ich stelle mich Onkel Sam als Soldat zur Verfügung, nach fünf Jahren bekomme ich dann automatisch die Staatsbürgerschaft.«
»Oder du bist tot.«
»Es gibt immer ein Risiko.«
»Glaubst du, Shakila kommt nach der Ausbildung zurück nach Tansania?«
»Nein, Kuba ist nur die Grundausbildung. Ich glaube, sie wird nach Chicago gehen, bei unserer Mutter wohnen und sich dort spezialisieren.«
»Braindrain«, bemerke ich.
»Nein«, erwidert Valentine. »Evolution.«
Will ich Sharif besuchen, wenn er Frauen nicht mehr die Hand geben will? Nein. Ich nehme den Nachtbus nach Moshi. Die Straßen sind in einem jämmerlichen Zustand, und es ist noch immer so gut wie unmöglich, neue Autoreifen zu bekommen: Also ziehen die Fahrer es vor, nachts zu fahren, denn der heiße Asphalt zehrt an den Laufflächen, wenn die Fahrzeuge überlastet sind – und das sind sie immer. Der Bus rumpelt am frühen Morgen in Moshi ein. Ich nehme von der Busstation ein Taxi. Lasse mich zum Haus fahren, ziehe wieder in der Dienstbotenwohnung ein. Die Sachen stehen so da, wie ich sie vor einigen Monaten verlassen habe. Solja und Rebekka sind bereits in der Schule beziehungsweise im Kindergarten. Katriina sagt nicht sehr viel zu mir.
» Shikamoo mzee «, begrüße ich den alten Issa, der mir sofort ein Frühstück gebracht hat. Ich esse und schlafe ein paar Stunden. Wache überrascht auf. Was ist der nächste Schritt? Ich will erst einmal zur Ruhe kommen, bevor ich mit Marcus rede. Ich gehe ins Haus, finde die Golfschläger des Alten und trotte über den Golfplatz zum Moshi Club. Worauf soll ich setzen? Versuchen, eine Band auf die Beine zu stellen? Wenn Marianne kommt, könnte sie singen; sie wird schon Arbeit mit Kindern oder Flüchtlingen finden – und sie wird es rasch satthaben. Oder soll ich bei kleinen Discoabenden mit meiner Ausrüstung
Weitere Kostenlose Bücher