Liberty: Roman
ich kann sie dir billig besorgen.« Als wir gehen, erkläre ich Christian die wahren Zusammenhänge.
»Dickson lügt. Sein Vater besitzt fünf Minen, und Dickson hat nie in seinem Leben eine Schaufel in der Hand gehabt. Er hat nur die armen Teufel geschlagen, die dort ohne Lohn arbeiten – nur für das Essen und die Hoffnung auf den großen Gewinn.«
»Keinen Lohn?«
»Nein, sie bekommen keinen Lohn. Sie bekommen etwas zu essen, und wenn sie auf eine Ader treffen, erhalten sie einen Anteil.«
»Das ist nicht viel«, sagt Christian.
»Doch, wenn sie es schaffen. Dann kann es genug für den Rest des Lebens sein. Dann kannst du mehrere Häuser, neue Autos, alles kaufen.«
»Und pumpen.«
»Ja, Dickson pumpt alles. Sogar das Mädchen, das sich um seinen Kiosk kümmert.«
»Aber … sie ist doch noch ziemlich jung?«
»Nein. Nur ein Mädchen vom Dorf. Sie wohnt in Dicksons Haus. Und er pumpt sie. Wenn sie nicht will, kann sie ja verschwinden – er findet eine andere für den Job.«
Glücklicherweise ist Claire mit dem Baby bei ihrer Mutter, weil sie ein paar Kleider flicken wollte. So können wir unsere Joints rauchen, ohne dass sich meine Frau beschwert.
Christian
Ich schlafe lange. Marcus trinkt Kaffee.
»Hej, bist du frisch?«, frage ich ihn.
»Ja. Willst du ein Spiegelei?« Er muss nur das Hausmädchen rufen, schon geht sie in die Küche.
»Nein, danke.« Ich mische mir eine Tasse Africafé und esse zwei zusammengeklappte Toastbrote mit Erdnussbutter. Der Kopf ist ein wenig schwer, aber sonst geht es.
»Wollen wir uns mal den Laden ansehen?«, schlägt Marcus vor.
»Ja. Ich muss nur noch auf die Toilette.« Es ist jedes Mal dasselbe bei Africafé – mein Magen hat die notwendige Bakterienkultur noch nicht wieder aufgebaut. Ich frage, ob sie Zahnbürsten im Kiosk haben. Marcus ruft durchs Fenster, und der Bursche kommt angelaufen. Marcus schickt ihn zurück, eine Zahnbürste holen. Der Junge gibt sie mir, wobei seine Hand den ausgestreckten Arm festhält – eine traditionelle Geste, um zu zeigen, dass er keine Waffe trägt.
Claire kommt mit der Tochter Rebekka, die sie in einer kanga auf dem Rücken hängt. Wir begrüßen uns. Ich erkundige mich nach Rebekka.
»Sie ist sehr krank gewesen, aber jetzt ist sie bald zehn Monate alt und wächst gut«, erzählt Claire lächelnd. Dann redet sie mit Marcus. Ich höre zu. Mein Swahili ist eingeschlafen, wacht aber mehr und mehr wieder auf. Claire bekommt Geld, damit sie für den Kiosk einkaufen kann, der schräg gegenüber der Wohnung steht. Sie will Speiseöl, Maismehl und Limonade einkaufen – schwere Dinge, die sie in einem Taxi nach Hause bringen muss.
Marcus und ich gehen zu Fuß in die Stadt. Es ist halb eins, und die Sonne brennt. Wir laufen zum Clocktower-Kreisel, am Coffee House vorbei und die Rengua Road hinauf in den christlichen Teil der Innenstadt. ROOTS ROCK heißt Marcus’ Laden, der Name steht mit großen roten und schwarzen Buchstaben vertikal auf der Fassade. Das Geschäft liegt eingeklemmt zwischen der Stereo Bar und einem geschlossenen Kino, dem ABC Theatre. Schräg gegenüber ist das Hauptbüro des staatlichen Stromerzeugers Tanesco. Unter der Markise vor dem Laden steht ein Kühlschrank mit Limonade, gesichert durch ein kleines Vorhängeschloss; außerdem gibt es eine eingezäunte Veranda mit Grünpflanzen in Zwanzig-Liter-Speiseölkanistern. Bei der Veranda handelt es sich eigentlich um den Bürgersteig, der von Marcus annektiert wurde; sein Nachbar, die Stereo Bar, hat das Gleiche getan.
Marcus schließt das Vorhängeschloss an dem Faltgitter auf, dann die Doppeltür. Er trägt zwei Tische sowie zwei ramponierte Sonnenschirme heraus, damit wir den Laden betreten können. Der eigentliche Raum ist ein schmaler Schlauch, viereinhalb mal zwei Meter groß, mit einer kleinen, zwei Quadratmeter großen Ausbuchtung gleich links neben der Eingangstür, in der die Plastikstühle für die Veranda gestapelt sind. Im Laden stehen eine Pioneer-Stereoanlage mit einem DUX -Plattenspieler, ein paar AIWA -Boxen, eine ordentliche Sammlung Platten sowie ein Haufen Kassetten. An den Wänden entdecke ich einige Bob-Marley-Plakate, die ich ihm geschickt habe.
»Kannst du die Sachen hier stehen lassen?« Es wäre relativ einfach, das Vorhängeschloss mit einem Bolzenschneider aufzubrechen und den Laden auszuräumen, von dem Kühlschrank vor der Tür gar nicht zu reden.
»Die Tanesco hat Wachleute, die die ganze Nacht patrouillieren – und wir sehen
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