Liberty: Roman
Bar auf dem Gelände des Cooperative College. Und ich weiß, Claire wird der Hure Geld geben, damit sie in ihr Dorf fahren kann, um dort ein Leben in Schande zu verbringen.
Viele Stunden später komme ich nach Hause zu Claire. Ich schaue auf unser Baby, das mit Armen und Beinen in der Luft strampelt.
»Sie soll Rebekka heißen«, sage ich – der Name meiner weißen Tochter.
»Okay«, sagt Claire. »Das ist ein guter, christlicher Name.« In Soweto habe ich ein anderes Kind, einen kleinen Jungen. Zwei Kinder mit zwei Frauen. Und Nummer drei in Finnland mit Tita. Meine uhuru nach dem Unfall ist lediglich ein anderes Gefängnis.
Christian
»Kann Katriina meine Sachen am Flughafen abholen – und durch den Zoll schaffen?«, frage ich Vater zum zweiten Mal über die knisternde Satellitenverbindung vom Wohnzimmer meiner Tante in Hasseris zu Vaters Haus in Shinyanga. Es ist Nachmittag, und Tante Lene kauft ein, also missbrauche ich ihr Telefon.
»Christian«, sagt er. »Warte bis zum Sommer. Dann bezahle ich auch das Ticket.«
»Ich habe mir bereits ein Ticket gekauft.« Von der Stütze. Das sage ich nicht.
»Aber du kehrst zurück und beendest das Gymnasium.«
»Das weiß ich nicht so genau«, murmele ich. Der Satellit beginnt, seine Sätze zu zerschneiden – Endungen verschwinden, es gibt Ausfälle, Echos, Verzögerungen, Verzerrungen.
»… schwerer, eine Ausbildung zu beginnen, je länger man … noch bereuen … eine ordentliche Ausbildung … ob es das Richtige ist … hinterher immer gebrauchen.«
»Gibt es jemanden, bei dem ich ein paar Nächte in Dar übernachten kann?«, erkundige ich mich, denn Aeroflot landet nicht in Moshi und KLM kann ich mir nicht leisten.
»Ingemar«, antwortet Vater. Drei Mal muss er die Telefonnummer wiederholen, bis ich alle Ziffern verstanden habe. Ingemar, ein alter Schwede, dessen Familie nach Schweden zurückgekehrt ist. Er wohnt draußen in Msasani.
»Kommst du mich abholen?«
»… mit deiner Mutter … sei ordentlich … benimm dich, wenn …«
»Ich verstehe dich nicht. Der Satellit ist Scheiße.« Seine Stimme kommt durch das Knattern und Sausen aus weiter Ferne, zerhackt in kleine Fetzen.
»… nicht in Tansania … Mick erzählte … dass Samantha tot ist … sinnlos.«
»Kann Katriina meine Sachen im Flughafen abholen und durch den Zoll bringen?«, frage ich noch einmal.
»Nein«, lautet die Antwort.
»Vater, ich verstehe dich nicht mehr«, spreche ich in den Hörer. »Ich bleibe eine Woche in Dar, und wenn du nicht dorthin kommst, sehen wir uns in Moshi.« Ich unterbreche die Verbindung, atme langsam aus, gehe in den Keller und rauche in aller Hast zwei Zigaretten.
Am Abend ruft mich meine Tante: »Marianne ist am Telefon, aus Cambridge.« Die Tante weiß natürlich, dass ich zu Hause bin, also kann ich mich nicht drücken, obwohl ich Marianne eigentlich nicht sonderlich vermisse. Wir sind letztes Jahr zusammen gewesen, aber das scheint lange her zu sein. Ich gehe nach oben und benutze den Apparat in ihrer Wohnküche; Tante Lene kocht, ich kann sie schlecht bitten hinauszugehen.
»Hej«, melde ich mich.
»Hej, ich bin’s«, sagt Marianne. »Wie geht’s dir?«
»Ist schon okay«, antworte ich und drehe der Tante den Rücken zu.
»Fliegst du in den Weihnachtsferien nach Tansania?«
»Ja. So ist der Plan.«
»Ich hatte mich eigentlich darauf gefreut, dich wiederzusehen«, sagt sie.
»Ich muss runter.«
»Wann kommst du zurück?«
»Ich weiß nicht genau.«
»Was meinst du damit?«
»Dass ich es nicht weiß.«
»Aber … was ist mit der Schule?«
»Was soll damit sein?«, frage ich zurück. »Ich hab sie geschmissen.« Sie ist einen Moment still, dann sagt sie: »Ich habe mir auch überlegt, hier aufzuhören und auf Reisen zu gehen. Ich checke gerade ein paar UNO -Lager in Ostafrika.«
»Da kenne ich mich nicht aus.«
»Nein, nein, aber so könnten wir uns sehen. Wir könnten uns besuchen.«
»Das ist sicher möglich«, antworte ich. Ich spüre, dass meine Tante mich ansieht.
»Bist du … okay, Christian?«, fragt Marianne jetzt. Ich muss lachen.
»Tja, ich denke schon«, sage ich. Die Adresse und die Telefonnummer in Moshi hat sie noch vom letzten Sommer. Ich muss nur darauf setzen, dass sie doch nicht aufbricht.
»Ich weiß nicht, ob das wirklich eine so gute Idee ist, wenn du kommst.«
»Was ist los? Hast du eine andere kennengelernt?«
»Nein, ich weiß nur nicht, ob das eine so gute Idee ist.«
»Ich will für die UNO arbeiten,
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