Liberty: Roman
eine Hexe. Sie hat unser Kind mit einem juju belegt. Hier, sieh.« Sie streckt mir unsere kleine Rebekka hin. Sie sieht gut aus.
»Es ist alles in Ordnung«, sage ich. »Lass diese altmodischen Gedanken.«
»Rhemas Großmutter hat sie in die Küche mitgenommen, um ihr Milch zu geben. Und jetzt hat sie Bauchschmerzen.«
Das stimmt. Das Kind ist krank. Sie brüllt wie eine Stereoanlage und schläft zwei Tage nicht. Wir auch nicht. Das Baby schreit, kotzt, trocknet aus. Claire füttert sie mit einem Löffel mit Zuckerwasser; das Einzige, was das Kind bei sich behält. Ich bin ständig bei einem Arzt, der alles untersucht und versucht. Im KCMC wollen die Ärzte nicht einen Finger rühren, bevor die Hand nicht geschmiert ist. Das Geld rinnt mir aus den Taschen.
Abends kommt Christian mit dem Motorrad. Er könnte Katriinas Nissan Patrol fahren, aber er braucht das Motorrad, um sich zu amüsieren. Ich erzähle ihm von den Problemen mit dem Baby. »Armes Kind«, sagt er und schaut sich Rebekka an, die aussieht wie ein Bündel Stöckchen mit Haut und übel aus dem Mund riecht. Claire ist kreuzunglücklich.
»Das ist Rhemas juju «, sagt sie. Es ist wahr. Ibrahim erzählt mir, Rhema führe wahnsinnig aggressive Reden, weil Claire bei mir wohnt. Dadurch kann Rhema niemals hier wohnen. Das Spiel, mit meinem Samen dick zu werden, sollte die Fahrkarte sein, aus dem ärmlichen Leben mit ihrer verrückten Großmutter in Soweto auszubrechen, aber dieser Plan ging nach hinten los. Und nun hegen Rhema und Claire nur noch Hexengedanken gegeneinander. Claire geht in die Kirche, und dennoch finde ich auch Pulver vom Hexendoktor in den Ecken unseres Hauses. In Soweto heißt es, Rhemas Großmutter sei eine Hexe, die Rhema dazu bringt, diese Dinge zu tun. Das Kind ist ausgetrocknet und dürr, auch wir sind dünn vor Müdigkeit. Tod und Verderben. Überall riecht es nach Krankheit.
EUROPÄISCHE TRÄUME
Ich habe Christian gesagt, er soll mit den einheimischen Mädchen aufpassen, die keine Schulbildung oder eine ordentliche Familie haben. Sie sehen Christian alle nur als den fettesten Fisch. Aber er flirtet mit allen Mädchen im Laden – es sind nicht die richtigen.
»Du glaubst, du kannst in die Stadt gehen und findest eine Frau mit Gefühlen? Niemals. Diese Mädchen und Gefühle für dich? Gefühle für einen Tag, für einen halben Tag, für eine Minute? Nein. Es ist der Traum von Europa. Nur, damit du es verstehst, Rachel aus der Garküche hinter Tanesco zum Beispiel ist genau so ein Mädchen.« Die Wahrheit ist heraus, und der weiße Junge wird total sauer.
»Marcus, hör endlich auf! Das ist kein Traum von Europa. Ich lebe hier. Das weiß sie genau. Du glaubst, alle Mädchen außer Claire wären malaya; und sie ist so fromm, dass selbst du das Kotzen kriegen könntest! Und du sagst, Claires Schwester wird eine malaya auf der Straße, wenn sie keine Hilfe von euch bekommt. Aber gleichzeitig versucht Claire, mich mit ihr zu verkuppeln. Ihr spinnt doch.«
Christian
Ich habe eine Vereinbarung mit dem Shukran Hotel getroffen; jetzt habe ich meine erste kleine Disco in Swahilitown, auf der anderen Seite des Marktes. Zunächst kommen nicht viele Gäste, denn es kostet einen kleinen Eintritt – die Leute bleiben auf dem Fußweg stehen und hören zu. Bringt’s die Musik? Mir läuft der Schweiß den Rücken hinunter. Kommt schon rein, verflucht. Und dann passiert es. Alle erscheinen an der Tür, bezahlen, kommen herein, kaufen Getränke und reden mit dem DJ – mit mir. Was für Musik ich hätte? Alles. Auch Gregory Isaac? Na klar! Es funktioniert. Der Besitzer ist glücklich. Ich lerne einen Typ kennen, der Big Man Ibrahim heißt und total nett ist. Er ist vor einigen Jahren mit Marcus in die Schule gegangen und unterrichtet Karate im CCM -Gebäude. Ibrahim greift nach meiner Hand und hält sie vor mein Gesicht.
»Ich kann sie zu einer tödlichen Waffe machen«, behauptet er lachend.
Kilimanjaro International Airport, Sonntagmorgen und Kopfschmerzen. Ein seltsames Gefühl, dass Marianne kommt. Wir waren in der zweiten Hälfte des ersten Schuljahres auf dem Gymnasium in Hasseris zusammen – es scheint sehr lange her zu sein. Ich weiß nicht recht, was sie hier will. Was sie sich vorstellt. Ich stehe zusammen mit Katriina und Solja auf der Dachterrasse des Flughafens, wir sehen, wie die KLM -Maschine ausrollt. Marianne steigt aus. Irgendwie habe ich schon Lust auf sie, aber der Gedanke an eine Unterhaltung lässt mich sehr müde
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