Liberty: Roman
hinauf. Es ist ein Luxushotel auf einer ehemaligen deutschen Kaffeefarm aus dem Jahr 1911. Ich höre den Fluss in der Nähe des Wegs. Ich laufe ein paar Kilometer durch Felder mit Kaffeebüschen, bis ich an den Forellenteichen der Lodge vorbeikomme und das zweistöckige Haupthaus erreiche.
»Christian?« Ich schaue nach oben. Auf dem Balkon steht eine dunkelhaarige junge Frau mit grönländischen Zügen.
»Sofie?«
»Ja, hej. Komm herein und setz dich. Mick ist noch nicht da.«
Wir setzen uns auf die Terrasse. Der Kellner serviert Juice und Kaffee.
»Oh, Prince!«, freut sie sich, als ich ihr eine Zigarette anbiete. »Hast du auch noch eine dänische Mettwurst in der Hosentasche?«, fragt sie und lächelt frech. Ich erröte.
»Nein, nicht wirklich.«
»Tja, ich bin mit Pierre verheiratet, Micks großem Bruder.« Sie erzählt mir, dass sie eine halbe Grönländerin ist. In den Siebzigern kam sie mit einem ehemaligen französischen Fremdenlegionär nach Afrika, dann hat Pierre ihr in Nairobi ein Kind gemacht.
»Und jetzt bin ich eine Kolonialistin, und das ist sehr viel besser, als kolonisiert zu sein.«
»Kolonisiert?«
»Ja, wie in Grönland.«
»Ach so, okay.«
Sofie führt mich herum. Das Haupthaus mit einem großen Ess- und Kaminzimmer für die Gäste. Die Wohnung der Familie liegt darüber. Eine Reihe weiß gekalkter Bungalows in dem großen üppigen Garten. Die Forellenteiche. Der Pferdestall. Die Garage mit den Fahrzeugen für die Safari-Gesellschaften. Sie steht fast leer, weil die meisten Autos gerade benutzt werden. Sie haben alles im Griff, und es funktioniert.
Kurz darauf kommt Mick. Er sieht nachdenklich aus, als er mich sieht.
»Lange her«, sagt er.
»Ja«, erwidere ich, ein wenig nervös.
»Du hast Samantha begraben.«
»Ja«, bringe ich heraus – ein Kloß sitzt mir im Hals, der brennend heiß, übel und trocken wird.
Wer weiß es sonst noch?
»Woher weißt du das?«
»Ihr Vater hat es mir erzählt, aber nicht sonderlich zusammenhängend. Er war voll. Was ist passiert?«
Es ist schwer. Ich erzähle es stockend. Ich weine.
»Sie hat den leichten Ausweg gewählt«, meint Mick.
»Ich glaube nicht, dass es leicht gewesen ist.«
»Nein, verdammt noch mal, aber sie hat das Leben nicht leichter gemacht, indem sie abgehauen ist.« Ich sage nichts. Er schüttelt den Kopf: »Viele von uns haben sie gemocht. Wenn sie jetzt hier wäre, bekäme sie von mir einen ordentlichen Tritt in den Arsch.«
Ich schlucke den Kloß hinunter.
»Ich wünschte, sie hätte mir davon erzählt … diese ganze Geschichte mit ihrem Vater«, sage ich.
»Hättest du ihr dann geholfen, und sie wäre nicht tot?« Mick sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Ich habe keine Antwort.
»Es ist unmöglich, Leuten zu helfen, die sich nicht helfen lassen wollen«, erklärt Mick. Ich zünde mir eine neue Zigarette an.
»Was ist mit Alison und Frans?«, frage ich, obwohl ich nicht auf diese Frage eine Antwort haben will.
»Nach Thailand gezogen«, sagt Mick. »Weg von … all dem.«
»Und Douglas?«
»Im Kongo verschwunden.«
»Victor?«
»Kongo.«
»Verschwunden?«, frage ich nach.
»Nein, am Leben.«
» Tsk .« Die Frage wurde gestellt, aber die Antwort ist nicht so, wie ich sie mir gewünscht habe.
Ich bringe ihn um.
»Tja. Lass uns ein Bier trinken«, sagt Mick und ruft den Kellner. Er fragt mich, was ich so treibe. Ich erzähle ihm von dem Kopiergeschäft, den Diskotheken, Marcus.
»Ja. Ich kann mich gut an ihn erinnern. Eine Menge guter Musik.« Mick hat die Arbeit, die er in Dar hatte, aufgegeben; jetzt arbeitet er für seine Mutter und organisiert Luxussafaris für reiche Amerikaner und Japaner.
»Aber ich komme mit Pierre nicht klar«, erzählt er. Sofie lacht. »Ich werde bald eine eigene Autowerkstatt in Arusha aufmachen und die Wagen für die Safaris warten.«
Ich erzähle ihm, dass ich ein Motorrad suche.
»Hast du Dollar?«
»Travellerschecks.« Mick steht auf.
»Komm mit«, sagt er. Wie sich herausstellt, hat er fünf spanische Bultaco-Maschinen. Ein paar von ihnen hat er um einige Reserveteile für die anderen Maschinen erleichtert.
»Wo hast du die her?«
»Ich habe sie bei Oxfam gekauft. Die hatten ein Projekt, bei dem sie im gesamten Gebiet des Kilimandscharo und Mount Meru herumgefahren sind und den Kleinbauern Ratschläge zum Kaffeeanbau gegeben haben. Aber dann ging der Weltmarkt in die Knie, und sie haben aufgegeben.« Er verkauft mir eine 250cc, die ausgezeichnet
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