Liberty: Roman
Flughafengelände biegen wir rechts auf einen unbefestigten Feldweg. »Jetzt sind es noch siebzehn Kilometer bis zum Dorf«, erklärt Savio.
»Alle erzählen mir, dass es dort sehr gefährlich ist.«
»Na ja, das Dorf ist nicht so schlimm. Es liegt ungefähr fünf Kilometer von Zaire entfernt. Alle hoffen, Reichtum zu finden, so wie in Zaire. Und sie sind bereit, alles zu tun, was dazu nötig ist. Im Minengebiet ist es gefährlich. Wenn du in die Mine eines anderen Mannes gehst, wird er dich erschießen und dort unten begraben, und niemand wird das je herausfinden.« Savio lacht. Okay, denke ich, Tansania – für die Leute hat es einen gewissen Unterhaltungswert, einen weißen Mann zu erschrecken.
Der Sandweg schlängelt sich in südwestlicher Richtung zwischen steiniger Erde, Dornenbüschen und Akazienbäumen. Es ist keine Straße, sondern lediglich eine Spur, für die sich die meisten Fahrzeuge entschieden haben. Der große weiße Hangar des Flughafens verschwindet im Rückspiegel, in der Ferne sehe ich eine etwas fruchtbarere Gegend. Mehr Bäume, weil die Blauen Berge die Wolken aufreißen und abregnen lassen.
Wir kommen an einer Polizeistation vorbei, die mitten im Nirgendwo liegt.
»Bis hierhin reicht der Arm des Gesetzes«, sagt Savio.
»Kommen sie nicht ins Dorf?«
Er schüttelt den Kopf.
»Nein. Wenn du da in Polizeiuniform reingehst, bist du so gut wie tot. Und du hast nichts zu sagen. Ein Mann könnte einen anderen direkt vor den Augen eines Polizeibeamten erschießen und sagen: ›Fuck, was willst du tun? Sonst erschieß ich dich auch. Wenn du am Leben bleiben willst, halt’s Maul. Du hast nichts gesehen. Fahr zurück ins Büro.‹ Wenn es hier draußen größere Probleme gibt, kommt The Field Force Unit – eine Spezialeinheit des Militärs. Aber bevor die eingreifen, muss es schon sehr ernst sein.«
Mick hat mir erzählt, was Savio hier draußen tut, aber ich will seine eigene Version hören.
»Und was ist dein Job?«
»Aufseher für einen Minenbesitzer. Ich habe dafür zu sorgen, dass die Arbeiter nicht mit seinen Steinen durchbrennen.«
»Und wie geht das?«
Er schlägt seine Khakijacke auf, damit ich das Schulterholster sehen kann – den Revolver, der darin steckt.
»Wenn gesprengt wird, gehe ich runter und sehe nach, ob wir auf etwas gestoßen sind. Ich muss bereit sein. Mit Fräulein 44 in der Hand ins Loch krabbeln, Steine aufsammeln, dann den Rückwärtsgang, damit man keine Hacke ins Kreuz kriegt, die Leiter hoch, ins Auto und ab damit. Abtransport.«
»Kommen sie wirklich auf die Idee …«
»Hör zu«, sagt er. »Ich bin gut zu meinen Leuten. Aber sie wissen, dass ich sie erschieße, wenn sie mich verarschen. Und sie da unten begrabe. Aber ansonsten behandele ich sie wie Menschen. Manchmal bekommen sie sogar Fleisch.« Ich bin eine Weile still.
»Gehört dir ein Anteil an der Mine?«
»Nein, sie gehört einem Araber aus Arusha.«
»Aber könntest du nicht einfach verduften, wenn ihr auf einen großen Fund gestoßen seid?« Wenn der Besitzer in Arusha sitzt, dürfte es lange dauern, bis er es herausfindet.
»Er würde mich umbringen lassen«, erwidert Savio. »Das ist billig hierzulande.«
»Aber im Ausland?«
»Wenn ich genug mitnehme, würde er mich vermutlich auch dort finden. Die Araber haben eine gewisse Vorliebe für Rache. Außerdem … was soll ich im Ausland? Das ist nichts für mich.«
»Du könntest nach Europa gehen«, schlage ich vor.
»Ich bin dort gewesen. Scheißlangweilig.«
»Wie kommst du darauf?«
»Die Leute – sie sind nicht imstande abzuschalten. Als ob sie es eilig hätten, ihren eigenen Tod zu erleben.«
»Wie ist die Arbeit hier draußen, also als Minenarbeiter?«, wechsele ich das Thema.
» Tsk «, schnalzt Savio. »Die Minenschächte sind tief und nicht ordentlich gesichert. Ständig stürzen sie ein. Wenn in einer der Nachbarminen gesprengt wird, ist es vorbei. Aber die Typen, die dort reinkriechen, sind hungrig. Eine Menge Kinder arbeiten dort, wir nennen sie njokas – Schlangen –, zehn bis zwölf Jahre alt. In die schmalsten und gefährlichsten Spalten können sie sich mit einer Taschenlampe hineinschlängeln und nachsehen, ob es Anzeichen einer Ader gibt. Sie graben mit den Händen. Harte Arbeit.«
Wir erreichen das Dorf, Hütten aus Holz und Dung, kleine Lehmhäuser mit abgeplatztem Putz, Holzschuppen mit Wellblechdächern. Ein totales Chaos. Kioske, Bars, Motorradwerkstätten. Eine Unmenge von Motorradwerkstätten. Ich habe
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