Liberty: Roman
und hängen sie mit Klebeband in Schaufenster und mit Heftklammern an Bäume.
DER STIL DES SLUMS
Ich bin jetzt am Boden eines Schiffes mit kalten Eisenketten gefesselt, wie auf dem Cover von Bob Marleys LP Survival . Aber mein Schiff segelt nicht auf das große Leben in den USA zu, mein Schiff ist der Laden Roots Rock, in dem ich Kassetten kopiere und eine tagtägliche Reklame für unser Disco-Geschäft bin. Mein Schiff liegt still, während Christian sich überall herumtreibt und Leute trifft, Pläne schmiedet, Abmachungen eingeht. Ich weiß nichts von diesen Absprachen, obwohl ich sein Partner bin. Eeehhh , es ist ein Problem. Er veranstaltet einen Disco-Abend im Shukran Hotel, aber ich kann nicht dabei sein, weil die kleine Rebekka todkrank ist. Und im Shukran Hotel trifft er die ganzen diebischen mswahili – arme, von der Küste zugewanderte Moslems –, sie werden ihn mir wegnehmen. Christian hat im CCM -Gebäude mit Karate angefangen und den Lehrer Ibrahim und einige Burschen aus Swahilitown kennengelernt, die Kundschaft für Schlägereien suchen. Sie sind sehr interessiert an der Disco-Branche und dem weißen Jungen und kommen tagsüber in meinen Laden, um ihn zu treffen. Sie wollen keine Kassetten, sie wollen nur auf den Stühlen hängen und Cola trinken, bis der weiße Junge vorbeikommt. Und sie haben viele Vorschläge und wollen ihm bei allem helfen. Es sind Khalid, der gefährliche Abdullah, Rogarth, der glaubt, er sei besonders schlau, und Firestone, ein kleines beschissenes Stück Dreck vom Markt, der stottert wie Mika früher.
Gulzar kennt Christian noch aus der ISM , und er sagt es ihm direkt ins Gesicht: »Du musst bei diesen Typen aufpassen, Christian. Sowie du wegguckst, klauen sie dir das Hemd vom Leib; es sind alles Diebe.«
»Das glaube ich nicht«, sagt er.
»Doch, es sind Penner und Diebe.«
»Alle haben ihre guten und ihre schlechten Seiten.«
»Einige haben nur schlechte«, sagt Gulzar. »Sie werden dir alles klauen, was du hast.«
Auf der Veranda höre ich Khalid. » Tsk «, sagt er, denn er spricht Englisch und versteht Gulzar gut.
Christian sagt: »Das sind doch nur junge Kerle, die irgendwas tun wollen, um sich ein paar Schillinge zu verdienen. Wir haben ja nicht alle einen Vater, der die Rechnungen bezahlt.«
Draußen lacht Khalid und übersetzt leise für Firestone. Gulzar wird sauer: »Wenn du mit denen zusammenbleibst, dann gehörst du zum Slum. Es verdirbt deinen Stil.«
»Es ist mein Stil, mit ihnen zusammen zu sein«, sagt Christian.
Christian
Endlich erreiche ich Savio am Telefon.
»Ja, verflucht. Komm her«, sagt er. Ich frage ihn, wie. Ich kann mit ihm fahren, aber er kann mir nicht versprechen, wie ich wieder zurückkomme.
»Ich habe ein Motorrad.«
»Ich weiß nicht. Am besten, du fährst mit mir. Der Ort ist gefährlich, wenn man ihn nicht kennt.« Er schlägt vor, dass ich am nächsten Morgen in den ersten Bus nach Arusha steige.
»Und wenn was dazwischenkommt und du nicht fahren kannst?«, frage ich ihn, denn ich kenne das afrikanische System von Verabredungen. Morgen ist irgendwann, aber selten morgen.
»Ich bin kein Afrikaner«, erwidert Savio, ein wenig kühl.
»Okay, okay.« Wir verabreden, wo wir uns treffen.
Am nächsten Morgen sitze ich im Bus, der durch die Ebene fährt, auf der die Massai ihre Zebu-Rinder und Ziegen grasen lassen. In der Ferne ist der Mount Meru zu erkennen, und weiter südlich die Blauen Berge. An den Ausläufern der Berge liegen die Tansanit-Ablagerungen in dem breiten, flachen Tal der Merelani Hills.
Ich steige an der Abzweigung zum Flughafen aus. Trinke Tee an einem Holzschuppen, während ich nach Savio Ausschau halte. Kurz darauf kommt er in einem schäbigen Land Rover ohne Rücksitze.
»Bist du bereit für den Wilden Westen?«, fragt er. Ich springe ins Auto, und wir fahren zum Flughafen, die breite Straße ist an beiden Seiten von Bäumen eingefasst. Savio hat ein Bild der Jungfrau Maria aus einer Zeitschrift ausgeschnitten und auf die kleine Holzplatte geklebt, die in der Mitte des Instrumentenbretts angeschraubt ist. Hinter den Vordersitzen stehen Holzkisten und Dieselkanister, ein langer schwarzer Plastikschlauch und ein dicker Gartenschlauch liegen daneben.
»Was hast du dabei?«
»Sprengstoff und Zünder. Diesel für den Generator, der den Kompressor antreibt, um Luft in die Mine zu pumpen. Und ein neues Stück Luftschlauch, denn die Gänge in der Mine sind inzwischen verdammt lang.« Kurz vor dem Schlagbaum zum
Weitere Kostenlose Bücher