Liberty: Roman
wenn ich die Bar zu meiner Kirche werden lasse, und Bier zu meinem Gott, findet Claire das nicht gut.
Claire erweist sich als stark. »Wir brauchen spektakuläre Waren im Kiosk und bei Roots Rock, um Kunden anzuziehen«, sagt sie.
»Und woher sollen wir diese Waren nehmen?«
»Aus Kenia.«
»Aber wir haben weder Kenia-Schillinge noch die Möglichkeit, uns welche zu beschaffen.«
»Wir müssen Batik herstellen«, sagt sie und kauft Stoff, Wachs, Farbe und alle anderen Zutaten. Sie hat es bei einer Frau gelernt, die ihre Mutter kennt. Die Chemikalien stinken im ganzen Haus, aber das Resultat ist eine Farbexplosion.
NIEMANDSLAND
Die Grenze nach Kenia ist aus politischen Gründen geschlossen, weil die Ökonomie Tansanias von mwalimu Nyereres Träumen vom Sozialismus so ruiniert ist, dass alles zusammenbrechen würde, wenn wir die Konkurrenz der soliden kenianischen Waren bekämen. Aber es gibt den Markt im Niemandsland an der Grenze Holili-Taveta, wo wir den Kenianern unsere Batik verkaufen können. Und wenn wir zurückkommen, müssen wir fünfundsechzig Prozent Zoll auf alle kenianischen Waren bezahlen, die wir gekauft haben. Aber wir können auch schmuggeln.
Claire packt unser großes Bündel Batik zusammen, und wir nehmen den Bus nach Osten, durch Himo und weiter bis Holili. Die Straße führt in weichen, langen Kurven durch eine hügelige Landschaft, die mit Büschen und Dornbäumen bedeckt ist. Hirten mit Rindern, Schafen und Ziegen, Maisfelder, Bauern. Der Bus fährt einen kleinen Hügel hinauf, und man kann bis zum Horizont sehen.
Wir gehen ins Niemandsland. Auf den Markt kommen Kenianer, um Mais, Bohnen, Batikstoff und gebrauchte Kleidung zu kaufen, die über westliche Wohltätigkeitsorganisationen nach Tansania gelangen. Die Kenianer bezahlen in Kenia-Schillingen. Auf dem Markt verkaufen die Kenianer auch all die Dinge, die wir brauchen, aber nicht zum Großhandelspreis; sie schlagen noch etwas drauf.
Wir verkaufen die Batik zu einem guten Preis und kaufen in Taveta Seife wie Imperial Leather und Lux, wir kaufen Nivea-Creme, OMO und Seife zum Wäschewaschen. In Kenia haben sie von allen Produkten verschiedene Marken, man kann ordentliche Kosmetik einkaufen, und nicht nur das Salz ist weitaus billiger, auch Speiseöl, Kiwi-Schuhcreme, Zahnpasta und Medizin wie Kopfschmerztabletten und Hustenjuice. Die gewöhnlichen Sachen aus Kenia sind Luxusartikel in Tansania.
In Holili steigen wir mit unseren Sachen in einen Bus nach Moshi. Wir fahren und warten auf den Kontrollposten in Tansania; ein paar Polizisten und Zöllner. In meiner Hand halte ich die gefalteten Geldscheine bereit. Der Bus hält, der Zöllner geht durch. Ich stecke ihm das Geld diskret zu, denn darum ist er hier: Geld für seine eigene Tasche – nicht etwa die Staatskasse, die nur die korrupten mabwana makubwa füttert. Der Zöllner will nichts durchsuchen, denn im Bus wird es sehr heiß, wenn er auf der Straße in der Sonne steht. Die Polizisten und Zöllner wollen lieber im Schatten unter einem Baum auf den nächsten Bus warten, der Geschenke für ihre Taschen bringt.
Mein Kiosk wird zum Paradiesgarten. Ich habe Busfahrkarten gekauft, Fahrradtaxis angeheuert, Bestechungsgelder bezahlt – und doch ist mein Profit gut: fünfzig Prozent. Sofort beginnen wir mit einer größeren Batikproduktion. Der Kiosk läuft, die Hühnchen wachsen. Auch Claires Bauch wächst, denn wir sind in dem harten Holzbett sanft miteinander umgegangen. Das Geld ist knapp, aber wir sind keine Trittbrettfahrer, die nur an den Rockzipfeln eines dummen weißen Jungen hängen.
VERBLENDET
»Ihr glaubt, der mzungu ist gottähnlich und kann euer Leben verändern«, sage ich. »Aber er ist nur ein Junge. Das Auto, das er fährt, gehört seinem Vater. Die Stereoanlage hier im Laden gehört zur Hälfte mir. Er ist keineswegs fantastisch.« Sie sehen Christian, so wie die Leute vom West-Kilimandscharo Jonas gesehen haben – als König des Waldes.
»Er kann aus Europa eine große Anlage fürs Liberty oder das Moshi Hotel beschaffen«, sagt Khalid. Firestone, unser neuer jämmerlicher hangaround , der entsetzlich stottert, nickt.
»Du arbeitest doch auch für ihn«, sagt Abdullah. »Du versuchst nur, uns die gute Arbeit, die er uns beschaffen will, vorzuenthalten.«
»Ich arbeite nicht für ihn. Wir sind Partner.«
»Christian fährt mit seinem chiki-chiki -Mädchen im Nissan Patrol herum und amüsiert sich, während du den ganzen Tag im Roots Rock herumhängst und
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