Liberty: Roman
hat.
Montagabend fahre ich zum CCM -Gebäude am Clocktower-Kreisel. Big Man Ibrahim trainiert seine Karateklasse jeden Tag von sieben bis neun.
»Bist du bereit zum Training?«, fragt er.
»Ich bin nur gekommen, um die Leute zu treffen, von denen du erzählt hast.«
»Du trainierst mit«, entscheidet er, stellt sich vor die zwölf, vierzehn Jugendlichen und fängt an, Befehle zu erteilen.
»Ich heiße Khalid«, sagt einer der Burschen. »Wenn du nicht mittrainierst, wird er nie wieder mit dir reden.« Ich trainiere mit. Uns fließt der Schweiß. Hartes physisches Training. Hinterher grinst Ibrahim mich an und ruft einen Burschen, der Abdullah heißt. Ich werde ihm vorgestellt. Abdullah ist beinahe ebenso groß wie Ibrahim. Ich frage ihn, ob er Freitag und Samstag im Shukran Hotel als Rausschmeißer arbeiten will. Gern. Ich gehe zu meinem Motorrad. Der Junge, der Khalid heißt, läuft mir nach.
»Wollen wir eine Cola trinken?«, fragt er.
»Einverstanden.«
»Ich bin bei deiner Disco im Shukran Hotel gewesen. Du hast fantastische Musik.«
»Danke.«
»Du musst wissen, dieser Abdullah – er ist ein sehr gefährlicher Mann. Er ist gerade aus dem Knast gekommen, nach zwei Jahren. Karanga Prison«, erzählt Khalid vertraulich.
»Weshalb hat er gesessen?«
»Mord. Das wissen alle.« Khalid nickt ernst. Ein guter Ruf für einen Rausschmeißer. Der Mann dürfte kaum jemanden ermordet haben, wenn er nur zwei Jahre abgesessen hat.
»Spring hinten drauf«, fordere ich ihn auf. Wir fahren zum Shukran Hotel und trinken vor der Tür eine Cola.
»Ich könnte auch viel für dich tun, wenn du eine Disco veranstaltest«, sagt Khalid.
»Hast du auch im Gefängnis gesessen?« Er lächelt, und wir klatschen die Handflächen gegeneinander. Er hält eine Hand hoch.
»Nein, aber ich habe die todbringende Waffe von Big Man Ibrahim.«
Ich fahr auch am nächsten Abend ins CCM -Gebäude. Zwei Stunden Tortur unter Ibrahims Anleitungen. Hinterher frage ich ihn nach Abdullah.
»Nein, nein, nicht Mord«, wehrt Ibrahim ab. »Die Anklage war gelogen. Aber Abdullah hatte kein Geld, um den Richter zu schmieren, also saß er zwei Jahre und wartete auf sein Verfahren. Und am ersten Tag vor dem Richter wurde die ganze Sache im Gericht niedergeschlagen, weil es keine Beweise gab.« Ibrahim lacht laut.
»Zwei Jahre für eine Lüge«, sage ich.
»Ja. Die Methoden in Tansania – sehr kompliziert.«
Endlich sieht es so aus, als hätte Marianne es aufgegeben, aus mir einen guten Menschen machen zu wollen. Sie will auf eigene Faust aufbrechen: »Ich werde mit ihnen reden. Dann werden wir sehen, wie es weitergeht.«
»Okay«, sage ich. Sie will nach Arusha, um dort mit einem UNO -Büro zu reden, und dann nach Kampala, um mit einem anderen UNO -Büro zu sprechen – alles dreht sich um Flüchtlinge und Vertriebene in Lagern. Sie will diese Menschen retten. Sie ist weiß, es ist ihre Schuld, wenn diese Menschen leiden müssen. Ich fahre sie morgens zur Busstation. Bin froh, als ich sehe, wie der Bus verschwindet.
Marcus
GOTTES STRAFE
Eines Abends klopfen ein Mann und eine Frau aus Claires Kirche bei mir an. Der Mann redet wie ein Teufel: »Es ist die Strafe Gottes, weil ihr nicht verheiratet seid. Wenn ihr heiratet, könnt ihr das Kind vielleicht noch retten. Wenn das Kind jetzt stirbt, kommt es nicht in den Himmel, und auch ihr werdet nicht in den Himmel kommen, weil ihr in Sünde lebt.« Claire weint.
Der Mann öffnet seine Bibel und liest: »So spricht der Herr: Siehe, ich will Unheil über dich kommen lassen aus deinem eigenen Haus – Das zweite Buch Samuel, 12,11.«
»Komm in unsere Kirche«, sagt die Frau zu mir.
»Ich bin Katholik. Ich kann meine Kirche nicht verlassen, und Claire will ihre nicht verlassen.«
»Ihr bringt die Seele des Kindes in Gefahr«, sagt der Mann.
»Was ist, wenn wir bei der Stadtverwaltung verheiratet werden?«, will Claire wissen.
»Die Stadtverwaltung kann gegen die Kraft des Teufels nichts ausrichten«, sagt der Mann. Claire will in Wahrheit auch gar nicht zur Stadtverwaltung, sie will in die Kirche. Und sie vertraut meiner Kirche nicht, aber ich finde, ihre Kirche ist nicht besser als meine – ich finde, es sind alles Kirchen. Die Idee stammt aus demselben Haufen Knochen.
»Marcus mischt sich nicht in meinen Glauben ein. Ich will mich auch nicht in seinen einmischen«, sagt Claire, um unsere Position zu verteidigen – wir können nicht in zwei Kirchen gleichzeitig heiraten. Und ich, ich weiß,
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