Liberty: Roman
Ich finde, sie hat sich überhaupt nicht einzumischen, aber um Ärger zu vermeiden, drehe ich mich um und gehe zur Dienstbotenwohnung.
Katriina bricht mit den Mädchen auf. Zwei Stunden später fährt ein Taxi die Einfahrt hinauf. Marianne, die in einer Tour von süßen, kleinen Flüchtlingskindern redet, von der Beschaffung von Decken und Zelten, von der Ungerechtigkeit … ja, eigentlich der gesamten westlichen Welt. Ich nicke, ohne zuzuhören. Bis ihr zwischenzeitlich der Stoff ausgeht.
»Ich komme nicht mit«, teile ich ihr mit.
»Na ja, dann sehen wir uns, wenn ich freihabe.«
»Wenn du die Welt retten willst, hast du niemals frei.«
»Christian, du brauchst dich nicht wie ein Arschloch aufzuführen«, sagt Marianne. Ich müsste ihr erklären, dass ihr Schuldgefühl, weiß zu sein, ein wenig deplatziert ist. Aber ich will nicht. Ich will nur, dass sie abreist. In diesem Moment taucht Rachel in der Einfahrt auf.
»Hej«, grüßt sie.
»Hej«, grüße ich zurück. »Möchtest du eine Cola?«
»Ja, danke.«
»Wieso kommt sie hierher? Schick sie weg«, fordert Marianne.
»Das kann man nicht. Es wäre eine Beleidigung. Und falsch.« Ich gehe in die Küche, um eine Cola zu holen, und bringe sie Rachel auf die Veranda. Marianne hat sich eine Zigarette angezündet und wandert in kleinen Kreisen über den Rasen, die Arme vor der Brust gekreuzt, sie starrt auf die Erde. Ich zünde mir ebenfalls eine Zigarette an.
»Warte einfach hier«, bitte ich Rachel, die mich mit einem leeren Blick ansieht. Sie ist Afrikanerin. Ja, sie wird warten. Sie geht nicht. Den Unannehmlichkeiten des Lebens begegnet man möglichst mit stoischer Ruhe und all der Gleichgültigkeit, zu der man fähig ist. Ich gehe hinunter auf den Rasen.
»Und jetzt?«, frage ich Marianne, die sich umdreht und mich anschreit: »Sie kommt hierher, weil sie dich haben will! Dich mir ausspannen will! Und du gibst ihr auch noch eine Cola!«
»Ja, mir ist klar, dass sie das will. Und du willst in ein Flüchtlingslager.«
»Hättest du es denn gern so?«, fragt Marianne, den Tränen nahe, glaube ich.
»Im Augenblick scheint es eine gute Idee zu sein, denn du bist ja doch nur ständig am Meckern.« Sie schluchzt.
»Aber du bist mit mir zusammen«, heult sie.
»Bin ich? Du verschwindest nach England, um als Au-pair zu arbeiten, und ich fliege hier runter. Und plötzlich erscheinst du, und wir sollen ausziehen und Hand in Hand die Welt retten. Das ist nicht mein Plan. Ich habe dich nicht eingeladen.« Ich starre sie an. Sie starrt mich an und zeigt dann auf Rachel auf der Veranda.
»Die soll gehen. Sie soll nicht hier sein, wenn … Sag es ihr. Dass sie gehen soll.«
»Sie soll zu Fuß nach Hause gehen, nicht wahr? Das willst du doch. Ich soll ihr nicht anbieten, sie nach Hause zu fahren, oder?«
»Nein, das sollst du nicht.«
»Wir sollen gut sein, Christian. Wir müssen ein Zeichen setzen«, äffe ich sie nach. »Aber du bist nicht sehr nett zu Negern. Du bist nur darauf aus … dich selbst zu finden, oder wie immer das heißen mag.«
»Und du willst sie nur ficken!«
Ich drehe mich um und rufe Rachel auf Swahili zu: »Komm, ich fahr dich nach Hause.« Ich starte das Motorrad, Rachel steigt hinten auf. Ich fahre durch die Innenstadt in Richtung Majengo und setze sie ab.
»Bis bald«, verabschiede ich mich, drehe und fahre zurück zu diesem ganzen Mist. Marianne ist fort. Katriina sitzt auf der Veranda.
»Was hast du zu ihr gesagt?«, fragt sie mich vorwurfsvoll.
»Wo ist sie?«
»Sie wollte nicht mehr bleiben. Ich habe sie zum YMCA gefahren. Du musst hinfahren und mit ihr reden.«
»Okay«, sage ich und werfe mich wieder aufs Motorrad. Zumindest ist sie aus meinem Bett verschwunden. Im YMCA rede ich mit dem Mädchen an der Rezeption. Frage, in welchem Zimmer das weiße Mädchen wohnt. Das darf sie mir nicht sagen. Ich bezahle, bekomme die Zimmernummer, gehe hinauf und klopfe.
» What ?«, ruft Marianne.
»Ich bin’s«, sage ich.
»Geh weg! Ich will nicht mit dir reden.«
»Scheiße. Womit hast du gerechnet? Wir haben uns anderthalb Jahre nicht gesehen, und dann kommst du hierher und erklärst, ich soll in einem fucking Flüchtlingslager arbeiten. Nein, natürlich will ich das nicht.« Ich lehne an der Tür und rede.
»Du willst nur deine kleine Nutte ficken.« Es klingt, als stünde sie ein Stück von der Tür entfernt.
»Ich habe sie nicht gefickt. Und sie ist auch keine Hure. Sie ist ein Mädchen.«
»Ist sie gut im Bett, deine
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