Liberty: Roman
dass Kirchen von Menschen begründet wurden, Menschen wie mir. Sie sind alle falsch.
»Ihr müsst dieses Kind taufen lassen. Vielleicht könnt ihr so das Böse ausmerzen und das Kind vor der ewigen Verdammnis retten«, sagt die Frau.
»Wir haben euch gehört«, sage ich. »Jetzt müssen wir ins Bett. Wir haben ein krankes Kind. Und wir müssen morgen früh arbeiten.«
»Aber vielleicht …«, sagt Claire, als sie gegangen sind.
»Das sind nur Lügen«, sage ich. »Ein Kind kann nicht böse sein. Wir sind nicht böse. Gott liebt seine Kinder.«
»Die bösen Gedanken der Hexe sind auf das Kind übergegangen. Nur Gott kann sie wieder nehmen«, sagt Claire. Ich könnte ihr erklären, dass Hexen in ihrem Glauben eigentlich keinen Platz haben, aber ich bin zu müde.
Am nächsten Morgen fängt Claire wieder an. »Wir müssen das Kind taufen lassen.« Ich stimme zu.
Zwei Tage später sind wir in ihrer Kirche und taufen unsere Tochter Rebekka, obwohl sie kaum noch eine Tochter ist, sondern nur noch aus Haut und Knochen besteht. Wir flößen ihr mit einem Teelöffel Zuckerwasser ein, aber sie erbricht sich – aus ihrem Mund strömt ein Geruch nach Verwesung, während in den Augen leere Verzweiflung steht.
Ich gehe ständig ins KCMC , die Ärzte finden nicht heraus, was ihr fehlt. Bis zum letzten Tag; es ist der Tag, an dem von Rebekka Röntgenaufnahmen gemacht werden sollen, außerdem ein Ultraschallscanning, alles eben – damit wir eine endgültige Auskunft der Ärzte bekommen. Claire soll sie ins KCMC bringen. Ich gehe, um mich an der Bar zu vergessen. Ein Geschrei weckt mich.
»Marcus, Marcus – Rebekka atmet nicht mehr!« Es ist Claires Freundin. Ich renne nach Hause. Claire steht über das Sofa gebeugt und schreit; sie drückt ins Sofa – auf Rebekkas Brust.
»Es ist der Satan!«, schreit Claire. »Rhema hat meinem Kind den Satan geschickt.« Ich umarme Claire. Sie schluchzt. Dort liegt meine Tochter. Still.
»Wir waren auf dem Weg zum Bus, aber plötzlich atmete sie nicht mehr«, sagt die Freundin.
Wir gehen ins Krankenhaus, um einen Totenschein ausstellen zu lassen, dann zur Kirche, um das Begräbnis zu arrangieren. So viel Bewegung wegen eines steifen Stück Fleischs. Abends kommen die Leute der Kirchengemeinde wieder.
»Du musst unserer Kirche beitreten«, sagen sie zu mir. »Das Böse, das passiert ist, liegt daran, dass ihr nicht verheiratet und nicht gemeinsam in der richtigen Kirche seid.«
Ich sage nichts. Ich will das Begräbnis überstehen, hinterher werden sie meine Antwort bekommen.
»Marcus, du musst erlöst werden. Schau auf die Dinge, die geschehen sind«, sagt der Kirchenmann.
»Aber es waren böse Geister«, erklärt Claire ihnen. »Eine Hexe hat Rebekka satanische Medizin gegeben und sie mit dem bösen Blick bedacht.«
»Ihr könnt die bösen Geister nur bekämpfen, wenn ihr erlöst seid«, sagt der Kirchenmann. »Es sind die bösen Geister der Vorfahren, die unzufrieden sind und euch nun bestrafen.«
Ich will sie aus dem Haus haben. Wie können Gottesmänner denn von den Geistern der Vorfahren reden? Das ist Ketzerei. Ich sage ihnen, ich würde darüber nachdenken. Sie gehen und glauben, sie hätten mich bereits in der Tasche.
»Du musst jedenfalls am Sonntag mit in die Kirche kommen«, sagt Claire.
»Ich vertrete mir noch ein wenig die Beine«, sage ich und nehme meine Zigaretten. Claire beginnt sofort zu heulen: »Deine Kirche ist die Bar. Aber Gott wohnt nicht in Flaschen.«
»Doch, mein Gott wohnt dort, und wenn ich die Flasche austrinke, fließt Gott in meinen Körper.« Ich gehe. Es ist dumm, so mit Claire zu reden, aus reiner Irritation über diese kirchlichen Trottel, die ich mit einem Knüppel hätte verprügeln sollen.
WEISSER ERNST
In der Stadt organisiere ich alles: Schmiergeld für den Priester, damit er seine Arbeit erledigt, einen Sarg von den Tischlern der Imara Möbelfabrik, Snacks für die Gäste nach der Zeremonie. Nach meinen Anstrengungen mache ich bei Bier und Konyagi eine Pause in der Stereo Bar. Ein großer Kerl kommt auf mich zu, setzt sich an meinen Tisch und lehnt sich zu mir hinüber.
»Du kannst deinem mzungu sagen, er soll sich von Rachel fernhalten«, sagt der Kerl.
»Wer bist du?«
»Tito«, sagt er.
»Du kannst es ihm selbst sagen.«
»Wenn er die Finger nicht von ihr lässt, füge ich ihm Schaden zu«, sagt Tito.
»Schaden?«
»Ja, Schaden.«
»Er ist nicht mein mzungu «, sage ich. »Ich habe nicht darüber zu entscheiden, ob er
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