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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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einem Mädchen nachläuft.«
    »Jetzt hör mir mal zu, was ich dir sage«, sagt Tito. »Wenn du nicht …« Ich unterbreche ihn: »Nein. Meine Tochter ist gestern gestorben und wird morgen begraben. Du bist mir egal. Mir sind deine Drohungen, der mzungu und das Mädchen egal. Geh.«
    »Ich habe dich gewarnt«, sagt Tito und steht auf.
    » Tsk «, sage ich.
    Die ganze Familie kommt zum Begräbnis: Solja, Rebekka, die Namensvetterin meiner toten Tochter, Katriina, bwana Knudsen. Im Leben bedeuten sie mir nichts mehr, aber im Tod stehen sie an meiner Seite. Auch Christian kommt. So viel versteht er doch vom afrikanischen System. Lässt er mich bei dem Begräbnis im Stich, schafft er böses Blut zwischen uns. Mit einer Sonnenbrille verbirgt er seinen Abscheu über die schreiende Hysterie der afrikanischen Frauen am offenen Grab; für den Weißen hat unsere Trauer etwas Primitives und Barbarisches.
    Katriina legt mir ihren Arm um die Schulter.
    »Jetzt hat die kleine Rebekka ihren Frieden gefunden, Marcus«, sagt sie.
    »Frieden? Wenn weiße Kinder sterben, bekommen sie Flügel und werden Engel im Himmel. Schwarze Kinder werden Fliegen.«
    »Das darfst du nicht sagen, Marcus.«
    »Deshalb gibt es Fliegenklatschen.«
    »Nein.« Katriina schüttelt den Kopf. Ich schaue sie an: »Erfunden von einem weißen Mann.«
    GOTTES DISKOTHEK
    »Wir haben gerade genug, um uns die Ausrüstung schicken zu lassen«, sagt Christian. »Aber wir können unmöglich fünfundsechzig Prozent Importsteuer bezahlen.«
    »Gibt es keine wazungu , die sich mit Ostermann Carlsberg schicken lassen? Die Ausrüstung könnte doch mit derselben Sendung aus Dänemark kommen?«
    »Nein, es gibt jede Menge Bier aus Arusha, und im Augenblick kommen keine neuen wazungu . Wir müssen einen anderen Weg finden.«
    »Ich habe eine Idee«, sage ich und nehme Christian mit zum Bischof – Claires Bischof der Pfingstkirche in Majengo. Denn die Kirche bezahlt weder Abgaben noch Steuern oder Zoll. Gott ist von so was ausgenommen. Ein alter Norweger ist Mitglied der Kirche, er hat eine Einheimische geheiratet und importiert eine Menge Sachen aus Norwegen. »Er kann das organisieren, ohne dass wir Importabgaben bezahlen müssen. Du müsstest ihn nur für die Unkosten hier vor Ort bezahlen.«
    Der Norweger hat ein kleines Büro im Haus des Bischofs.
    »Muss ich wirklich dabei sein?«, fragt Christian vor der Kirche. Manchmal denkt der weiße Junge wie ein Analphabet aus dem Dorf.
    »Ja – die Kirche muss unser Licht am Horizont sehen, um uns zu helfen. Du musst dem Bischof versprechen, jederzeit bereit zu sein, etwas für ihn zu tun. Vielleicht wollen sie die Anlage mal für eine Predigt nutzen – dann bekommen sie sie gratis oder immer sehr billig. Zeig ihnen einfach, dass du für sie da bist, dann ersparen wir uns den Zoll.« Und Christian sagt genau, was ich gesagt habe. Es funktioniert, sie wollen helfen.
    UPRISING
    Claire liegt auf dem Bett und starrt die Wand an. Sie ist bei all den Sorgen sehr dünn geworden. Vielleicht hat sie sich entschlossen zu sterben, wie eine eigensinnige Eingeborene.
    »Ach, zum Teufel!«, sage ich. Immerhin, Schritt für Schritt fangen wir an, uns wieder zu bewegen. Wir setzen alles daran, um die notwendige Energie zur Arbeit wiederzufinden.
    Abends, als Claire schläft, nehme ich den Schuhkarton mit meinen privaten Papieren zur Hand. Er steht in einem abgeschlossenen Schrank. Nur ich habe den Schlüssel. Und ich wühle mich durch bis zum Boden, öffne den Umschlag und ziehe das Foto heraus. Mein Schokoladenbaby. »Das ist gut«, sage ich zu dem Baby, das jetzt drei Jahre alt ist. »Du bist in Finnland, du wirst groß und stark und hübsch. Bleib gesund und geh in die Schule. Du bist meine Abgesandte, meine Agentin in dem weißen Land.« Und ich sehe mir Tita und das Baby an, ich halte das Foto ein Stück von mir entfernt, damit es nicht nass wird von den Tropfen.
    Claires Freundinnen aus der Kirche fangen wieder an, uns zu besuchen.
    »Ohhh, satanisch«, flüstern sie, wenn sie meine fünf Fotos von Bob Marley sehen, die im Wohnzimmer zusammen mit Haile Selassie und einem Foto von Claire und der kleinen Rebekka, als sie noch hübsch und rund war, eingerahmt hinter Glas hängen. Jesus blutet am Kreuz, aber nicht bei mir zu Hause. »Wie kannst du mit diesen Bildern leben?«, fragen sie Claire vorsichtig.
    »Jeder hat seinen Gott«, sagt sie. Und sie findet, Bob kann man durchaus ansehen. Man weiß, wo er steht, und er klingt immer gut. Nur

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