Liberty: Roman
heiße Christian«, stelle ich mich vor. Er nickt und zeigt kurz seine Zähne, allerdings ist es kein Lächeln, eher ein Zucken.
»Moses«, antwortet er. Ich nicke. Moses? Er starrt mit leerem Blick vor sich hin: »Einhundert Menschen sind letzte Nacht in Zaire gestorben – ertrunken in den Minen, als die Flutwelle vom Berg kam. Mindestens hundert.«
»Ah-ahhh«, stöhnt Rogarth auf. » Pole. «
Moses?
»Kommt rein«, fordere ich sie auf.
»Wir haben nicht viel Geld«, erwidert Moses.
»Für euch ist es umsonst.« Sie steigen ab, und Moses schließt im Regen ruhig ihre Motorräder mit einer Kette zusammen. Nasser kann er nicht mehr werden. Die beiden anderen gehen mit Rogarth hinein. Moses bleibt im Schutz des Eingangsbereichs stehen. Ich biete ihm eine Zigarette an. Ich gebe ihm Feuer. Er zieht die durchnässte Jacke aus. Auch das Hemd klebt ihm am Oberkörper. Unten am Rücken, direkt über dem Hosenbund, sehe ich eine kantige Beule in dem nassen Stoff. Der Revolver. Moses. Als die fette mama starb. Wir waren in der Mine. Ich kletterte hinter Savio die Leiter hoch. Wir sind aus dem Minenschacht entkommen. Die Bewegung, die ich gesehen habe … die Dunkelheit bewegte sich. Moses. Er kam also auch nach oben – hinaus. Er war unter uns auf der Leiter, als wir nach oben kletterten. Aber er hat nicht geschossen. Vielleicht hatte er Angst, von meiner herabstürzenden Leiche mitgerissen zu werden. Vielleicht hatte er keine Kugeln mehr. Rogarth kommt zurück.
»Was ist in den Minen passiert?«
»Letzte Nacht …«, erzählt Moses, »sind alle in die Stollen gegangen, um trocken schlafen zu können. Aber das gesamte Wasser vom Berg läuft die Hügel herunter und sammelt sich am Grund des Tals. Alle haben dort unten gegraben, um dicht an der Schicht mit den guten Steinen zu sein. Das Wasser schießt direkt in die Stollen und spült die Leitern weg. Die Menschen ertrinken in der Dunkelheit, Hunderte von Metern unter der Erde. Die Leute klettern übereinander, um nach oben zu kommen. Aber nur die Starken leben – einige von ihnen. Der Rest ist tot.«
»Aber das ist doch bloß Wasser«, wendet Rogarth ein. »Es muss doch langsam angefangen haben?«
»Nein. Nicht nur Wasser«, erwidert Moses. »Das Wasser schleppt den Schlamm aus den Bergen mit und sammelt sich in der Simanjiro-Ebene südwestlich der Minen. Wenn die Ebene überschwemmt ist, strömt das Wasser in unser Tal. Es kommt wie eine Flutwelle. Und im Tal trifft die Welle auf die ganzen Haufen von Steinschlacke aus den Minen. Überall ist dort Schlacke – Kies, Sand, Staub –, alles, was ausgegraben wurde und einfach auf dem Boden liegt. Und die Welle schmeißt den Schlamm und die Schlacke direkt – DVU-DVUUUU – zu uns hinunter.«
»Und du?«, frage ich ihn.
»Unser Stollen liegt höher, am Abhang des Tals. Sehr günstig für uns.« Oben auf dem Abhang, einer der schlechten Claims, denn dort muss man tiefer graben, um die Schicht mit dem Tansanit zu erreichen. Es hat ihnen das Leben gerettet.
Rogarth reicht Zigaretten herum, gibt Feuer.
»Was macht ihr jetzt?«, erkundige ich mich.
»Jetzt wird es gut laufen«, antwortet Moses.
»Nach der Regenzeit?«
»Jetzt ist der Boden gedüngt.«
»Was hilft euch das? Ihr seid keine Bauern.«
»Wir werden viele Steine finden«, entgegnet Moses mit einem fernen Blick in den Regen und die Dunkelheit. Er dreht sich um und geht ins Hotel. Die Erde ist gedüngt. Es dämmert mir. Mit Leichen. Rogarth folgt ihm. Ich bleibe stehen. Der sehnige Bursche kommt heraus – mit einem großen Joint in der Hand. Er sieht jetzt ruhiger aus.
»Gute Musik«, lobt er. »Aber es ist nicht so einfach, heute zu tanzen, obwohl die Mädchen hübsch sind.« Er bietet mir den Joint an, ich nehme einen Zug: schweres Arusha- bhangi .
»Mmmm«, brumme ich. »Wie war die Straße hierher?«
»Wir sind am Nachmittag losgefahren, langsam. Die Straße war ein einziger Morast. Wir sind durch den Busch gefahren. Zweieinhalb Stunden, nur um bis zum Flughafen und zur Asphaltpiste zu kommen.«
Moses kommt heraus, übernimmt den Joint.
»Kann man gut davon leben, Zwischenhändler in Zaire zu sein?«, frage ich ihn.
»Ich bin kein Zwischenhändler«, antwortet Moses. »Ich habe eine Mine da draußen.«
»Deine eigene?«
»Nein, ich besitze einen Anteil.«
»Wie lange bist du schon dort?«
»Zehn Jahre.« Er muss als Schlange begonnen haben. Ein Jahrzehnt auf der Jagd nach einer flüchtigen Ader von blauviolettem Stein.
»Kennst du
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