Liberty: Roman
nicht klarkommen würden. Ich könnte, ja, denn ich habe die Staatsbürgerschaft, aber sie nicht.
»Okay, ich besuche ihn eine Woche, dann komme ich zurück.«
»Besuchst du Ibrahim, wenn du schon da bist?« Denn wenn es wirklich nur eine schwere Malaria gewesen sein sollte und nicht … tja, dann hätte ich ihn jetzt verdammt gern hier in Moshi.
»Ich werd ihn sicher sehen.«
»Dann grüß ihn herzlich. Und wenn er gesund ist, sag ihm, er soll zurückkommen. Ich habe einen Job für ihn.«
Als Rachel fort ist, überdenke ich die Situation. Meine Aufenthaltsgenehmigung ist in Ordnung – für teures Geld gekauft und bezahlt auf der Dachterrasse des New Castle Hotels. Die Arbeitserlaubnis – fuck off; Rogarth ist der offizielle Discobetreiber. Aber Abdullah, wie löse ich dieses Problem? Ich fahre zum Polizeirevier. Gehe zu dem Chef, der gesagt hat, ich stamme aus einer Familie von Mördern. Ich werfe es ihm direkt auf den Tisch. »Dieser Abdullah bereitet mir gewaltige Probleme. Er bedroht mich. Würden Sie mit ihm reden?«
»Abdullah? Ich kenne ihn nicht, aber er ist Tansanier, also hat er größere Rechte als du«, sagt der Polizeibeamte und lächelt. »Du bist nur ein Tourist. Es kostet tausend Dollar, wenn ich dich auch nur ein wenig beschützen soll.« Jetzt grinst er: »Du wirst im Leben immer Probleme haben, weil du aus einer Familie von Mördern stammst. Deine Hände sind mit dem Blut des toten Mannes gefärbt.«
Ich habe keine tausend Dollar.
Ich habe Rogarth im Haus einquartiert. Den defekten Plattenspieler repariert ein Radiomann in der Stadt. Vor dem nächsten Wochenende, an dem wir wieder im Liberty sind, kann man nichts tun. Ich ziehe mir wärmere Sachen an, ziehe den Pass aus meinem gebrauchten Hemd und stecke ihn in die Tasche der Jacke, die ich mir anziehe. Ich habe mir angewöhnt, meinen Pass immer bei mir zu tragen.
Ich fahre nach Arusha zur Mountain Lodge, um zu sehen, ob Mick zu Hause ist. Ich muss mal wieder mit einem weißen Mann reden. Es ist halb fünf Uhr nachmittags, als ich ankomme, aber er ist noch bei der Arbeit. Ich setze mich auf die Veranda und unterhalte mich mit der Halbgrönländerin Sofie. Es ist angenehm, Dänisch zu reden. Ich frage nach Mick.
»Läuft’s gut mit seiner Autowerkstatt?«
»Na ja, so einigermaßen. Er arbeitet ständig, und es ist nicht mal sicher, ob er heute nicht erst spätabends nach Hause kommt.«
»Wohnt er denn noch hier in der Lodge?« Es überrascht mich, dass er noch bei seiner Familie wohnt.
»Ja, natürlich. Also, bis er heiratet; dann wird er sich bestimmt ein Haus in Arusha kaufen.«
»Will er denn heiraten?«
»Ich weiß nicht, vielleicht irgendwann einmal. Soweit ich weiß, hat er keine Freundin.«
»Ja, wenn er schwarze Mädchen nicht mag, dann könnte es ein Problem geben.« Sofie lacht.
»Er hat nichts gegen die Farbe. Es ist die Trägheit, dieses Laissez-faire. Hier muss man hart arbeiten, wenn die Dinge funktionieren sollen. Wenn man Kinder bekommt, müssen sie in Arusha zur Schule gehen, und das ist teuer. Es gibt keine Krankenversicherung und so etwas. Wir müssen in der Familie einfach zusammenhalten.«
Ich schaue mich um. Die Lodge in dem schönen alten Gebäude mit den Bungalows dahinter, die Land Rover für die Safaritouren, das gut geschulte Personal. Ich beneide sie um ihren Erfolg, aber sie arbeiten auch hart. Ich habe nicht hart genug gearbeitet, das ist mir schon klar. Meine Projekte sind so fadenscheinig – die Dinge gehen kaputt. Löchrige Klamotten, mürbe Schuhe, zerkratzte Sonnenbrille, die Tonköpfe des Kassettenrekorders sind abgenutzt, die Platten knacken. Ist das normal bei Menschen? So zu sein wie die Dinge, die wir besitzen? Ich bin die Abtastnadel – wenn sie nicht funktioniert, funktioniere ich auch nicht. Ich baue ein Leben auf leicht verderbliche Elektronik. Unhaltbar. Und leicht verderbliche Beziehungen zu Menschen, für die ich die Verantwortung trage. Ich schaue auf. Sterne zeigen sich an der schwarzen Kuppel. Samantha – wolltest du auf diese Weise nicht leben – so wie ich? Aber du hättest wie Sofie leben können.
Sofie fährt fort: »Aber ich bin auch eine Art Neger. Ich bin halbe Grönländerin, daher verstehe ich die Tansanier genau. Es ist doch verrückt, wie sie erst von den Kolonialherren herumgeschubst wurden, um dann allein gelassen zu werden und in der Sonne zu braten.«
Ich schaue zum Himmel. Es wird dunkel.
»Ich fahre noch mal zur Werkstatt«, sage ich und verabschiede mich
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