Liberty: Roman
von Sofie.
Mick liegt mit dem Oberkörper unter der Kühlerhaube eines Safari-Lasters. Neben ihm steht ein alter zerfurchter Tansanier.
»Trinken wir ein Bier«, sagt Mick. Wir setzen uns auf ein paar Autoreifen im Hof der Werkstatt. Es ist jetzt dunkel, aber sternenklar, der Mond scheint.
»Was treibst du eigentlich hier, Christian?«
»Ich … ich lebe hier.«
»Wirklich?« Er sieht sich in der Werkstatt um. »Ich lebe hier. Du bist ein Flüchtling. Du versuchst, irgendeinen Teenagertraum zu leben.«
»Scheiße, Mick, ich arbeite. Ich habe Leute zu ernähren.«
»Ja, aber was ich aus Moshi höre, versuchst du, dich so durchzumogeln. Mann, auf Dauer funktioniert das nicht.«
Er sieht mich an. Ich möchte wissen, mit wem er in Moshi redet. Er kann offenbar meinen Gesichtsausdruck lesen. Mick grinst: »Christian, Moshi ist sehr klein. Deinen alten Partner Marcus kenne ich seit Jahren. Immer, wenn ich in Moshi war, habe ich bei ihm Kassetten gekauft. Marcus hat die gute Musik.«
»Du kommst nach Moshi?« Ich habe ihn nie dort gesehen.
»Das kommt vor«, erwidert Mick, zündet sich eine Zigarette an und raucht schweigend. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich hatte gedacht, ihn zu fragen, ob er mir ein bisschen Geld leihen könnte, aber ich bringe es nicht fertig. Er durchschaut mich. Jetzt spricht er wieder, ruhig. Aber seine Worte haben nichts Beruhigendes: »Du bist genau wie Samantha – du versuchst, die lästigen Dinge zu vermeiden. Du glaubst, das wäre möglich, aber du wirst ständig von ihnen eingeholt.«
»Ich hab’s in mir«, widerspreche ich. »Es hätte klappen können.«
»Wenn’s nicht geklappt hat, hast du es auch nicht in dir.«
»Das sind nur ein paar kleine Probleme, die regeln sich«, behaupte ich, obwohl ich selbst nicht daran glaube.
»Ja, natürlich. Die Situation wird sich klären. Die Dinge werden sich wieder beruhigen. Aber es ist bei Weitem nicht sicher, ob du die Spitze erreichst, denn für mich sieht es aus, als wärst du am Boden.«
»Ich muss nur ein bisschen Geld beschaffen, dann läuft’s.«
»Du musst sie dir als wilde Hunde vorstellen«, sagt Mick.
»Wen?«
»Die Leute, mit denen du zusammenarbeitest, und die Leute, die deine Geschäfte übernehmen wollen.«
»Das mach ich doch bereits.«
»Nein, das tust du nicht. Hunde. Es geht um Territorien. Wenn du nachts an einem bissigen Hund vorbeigehst, dann greift er dich nur an, wenn du in sein Territorium eindringst. Wenn ihr euch auf neutralem Grund begegnet, dann wird er nur angreifen, wenn du Furcht zeigst, Unterwürfigkeit.«
»Was hat das mit mir zu tun?«
»Du bist auf ihrem Territorium. Sie sind eine Horde. Du stinkst nach Angst. Sie haben gesehen, dass du verletzlich bist. Du bist isoliert von deiner weißen Horde, du blutest bereits. Es ist nur eine Frage der Zeit, dann bist du verblutet. Es sei denn natürlich, du kehrst zu deiner Horde in Europa zurück.«
»Aber Dänemark ist nicht meine Horde.«
»Nein, ich verstehe, dass du das glaubst. Aber die Dänen wissen das nicht.« Mick lacht. »Sie werden sich deiner annehmen.«
»Du bist doch auch weiß«, wende ich ein.
»Ja, aber ich gehöre hierher. Mein System ist hier. Ich habe hier eine Familie und eine Gesellschaft, ich bin ein Teil davon.«
»Du bist kein Tansanier.« Mick weist auf einen großen Schrotthaufen, der in einer Ecke unter einem Halbdach liegt.
»Weißt du, was das ist?«
»Schrott von alten Autos.«
»Ja. Das ist mein Reservelager.«
»Das da?«
»Ja. Es geht um die Frage, ob du dich selbst versorgen kannst. Du musst dir Dinge besorgen, um hier zurechtzukommen. Du bist mit Geld gekommen, das du investiert hast – okay. Jetzt hast du deine Investitionen verplempert. Du hast nicht genug Gewinn erwirtschaftet, um dein Geschäft in schlechten Zeiten durchzubringen. Du bist dabei zu verbluten. Ich bin hier aufgewachsen. Ich verstehe das System. All deine Probleme werde ich nie haben.«
»Ich muss nur das eine oder andere regeln. Dann bin ich okay.«
»Mir hat ein Typ beigebracht, einen Land Rover mit Teilen von einem Peugeot zu reparieren«, erzählt Mick. »Ein Typ, der es sich selbst beigebracht hat. Er kann kaum lesen.«
»Okay.«
»Er ist weitaus tüchtiger als ich.« Mick zeigt auf den alten zerfurchten Mann, dessen Blaumann vor Motoröl schwarz glänzt. »Dort steht er. Er ist mein Idol.«
»Ich verstehe, was du meinst.«
»Nein, das tust du nicht«, erwidert Mick. Wir sind still. Rauchen. »Kannst du dich an Panos
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