Licht
hören wollten: Dass sie in absehbarer Zeit den Strand verlassen und nach Perlen tauchen können!«
Sie lachte. »Du warst sehr überzeugend. Aber dann ist dir schlecht geworden.«
»Aber ich bin noch nie im Trakt gewesen«, sagte Ed. »Da war noch keiner.«
Sandra Shen leckte nach einem Tabakkrümel, der auf der Unterlippe klebte.
»Du hast Recht«, sagte sie. »Da war noch niemand, oder?«
Er wartete auf Annie. Sie kam nicht. Es verging ein Tag, dann noch einer. Er putze das Kabuff, räumte auf. Wusch den gebrauchten Lycra aus. Er starrte an die Wand. Plötzlich, als er gar nicht mehr fort wollte und vergessen wollte, dass es ein Anderswo überhaupt gab, war im Hafen der Teufel los. Die ganze Nacht über flackerten die Dünen im Widerschein der Triebwerksfeuer. Rikschas kamen und gingen. Der Zirkus wurde verschifft, mit Ausnahme der Aliens in ihren barocken Sarkophagen, die man knapp nach Tagesanbruch weitab und zu welchem Zweck auch immer ihren Betreuern folgen sah. Am dritten Tag nahm Ed einen Klappstuhl aus Aluminium mit nach draußen und setzte sich mit einer Flasche Black Heart in die Sonne. Um halb elf vormittags erschien eine Pierpoint-Rikscha auf dem Hafengelände, sie kam aus Richtung Stadt und näherte sich im scharfen Tempo.
Ed sprang auf die Füße. »He, Annie! Annie!«, rief er. Der Rum war in guten Händen, nur der Stuhl kippte um. »Annie!«
»Ed!«
Sie lachte. Den weiten Weg über den Beton hörte er sie seinen Namen rufen. Doch als die Rikscha vor ihm zum Stehen kam, in einer Wolke aus Reklame, die sich wie bunter Rauch und farbiges Seidenpapier ausnahm, da war es nicht Annie, die in der Gabel stand, sondern ein anderes Mädchen mit kräftigen Beinen, die ihn mit einem halben Lächeln im Mundwinkel von oben bis unten in Augenschein nahm.
»He«, sagte er. »Wer bist du?«
»Danke der Nachfrage«, sagte das Rikschagirl. Sie stieß den Daumen über die Schulter. »Ihr Herzchen ist da drin.«
Im selben Augenblick setzte Annie Glyph den Fuß auf den Beton. Sie hatte die letzten Tage genutzt: Annie hatte sich umarbeiten lassen – eine Investition, an der die gedemütigte Bella Cray nicht ganz schuldlos war. Der Zuschnitt war radikal. Frisches reines Fleisch wie durch Zauberei in des Schneiders Brühe gediehen. Die alte Annie war perdu. Was Ed zu Gesicht bekam, war das: ein Mädchen, nicht älter als fünfzehn. Wadenlanger rosaroter Satinrock mit kurzer Schrittfalte hinten und ein Bolerooberteil aus lindgrüner Angorawolle, das ihre Brustwarzen zur Geltung brachte. Als Accessoire eine schmale goldene Hüftkette und an den Füßen transparente Polyurethansandalen mit Blockabsatz. Das blonde, seidendünne Haar war mit passendem Band zu lauter Sträußen gewickelt. Selbst mit Schuhen maß sie keine fünf Fuß zweieinhalb Zoll.
»Hi, Ed«, sagte sie. »Gefällt es dir? Das Modell heißt Mona.«
Sie sah an sich hinab. Sah zu ihm auf und lachte.
»Es gefällt dir!«, sagte sie. Dann besorgt: »Es gefällt dir doch, oder?« Dann: »Oh, Ed. Ich bin so glücklich.«
Ed wusste nicht, was er sagen sollte. »Muss ich dich kennen?«
»Ed!«
»Das war ein Scherz«, sagte er. »Jetzt seh ich die Ähnlichkeit. Es ist hübsch, aber warum tust du so was? Ich mochte dich so, wie du warst.«
Annie hörte auf zu lächeln.
»Jesus, Ed«, sagte sie. »Ich hab es für mich getan, nicht für dich.«
»Kapier ich nicht.«
»Ed, ich wollte kleiner sein.«
»Das ist nicht kleiner«, sagte Ed. »Das ist Pierpoint Street.«
»Na großartig«, sagte sie. »Verpiss dich! Ich bin Pierpoint Street.«
Sie kletterte in die Rikscha zurück. »Bring mich weg von diesem Idioten«, sagte sie zu dem Rikschagirl. Dann kletterte sie wieder auf den Beton hinaus und stampfte auf. »Ich liebe dich, Ed, aber es muss gesagt werden, du bist und bleibst ein Twink. Was, wenn ich lieber mit einem ins Bett ginge, der größer ist als ich? Was, wenn ich genau das brauchte, um clean zu werden? Und weil du das nicht kapierst, Ed, deshalb bist du ein Twink.«
Ed starrte sie an. »Ich diskutiere mit jemand, den ich nicht mal wiedererkenne«, beklagte er sich.
»Dann sieh mich an. Du hast mir geholfen, als ich am Boden war, nur dass ich zu spät bemerkt habe, was der Preis dafür war: Du brauchtest eine Mutter. Twinks brauchen immer eine Mutter. Was, wenn ich die nicht mehr sein will?«
Sie seufzte. Sie sah ihm an, dass er nichts kapierte.
»Sieh mal«, sagte sie. »Was ist mein Leben für dich? Du hast mich gerettet, ja, und
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